Gesellschaftsrecht


Limited: Nach Brexit wird aus britischer Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland Personengesellschaft

OLG München, Urteil vom 05.08.2021 – 29 U 2411/21 Kart -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Die Antragstellerin (AS), die nach ihrer Darstellung Kosmetikprodukte als Onlinehändlerin vertrieb, war eine in der britischen Rechtsform einer Limited betriebene Gesellschaft, wollte im Rahmen einer einstweiligen Verfügung eine kartellrechtliche Untersagung gegen einen Konkurrenten erwirken. Der Antrag wurde vom Landgericht als unbegründet zurückgewiesen. Auf die Berufung wurde der Antrag als unzulässig zurückgewiesen. In beiden Instanzen wurde von der fehlenden Parteifähigkeit der AS ausgegangen.

 

Um klagen zu können, bedarf es der Parteifähigkeit nach § 50 Abs. 1 ZPO, die Land- und Oberlandesgericht der Klägerin absprachen. Die Parteifähigkeit ist gem. § 56 ZPO von Amts wegen untr freier Beweiswürdigung zu prüfen. Dabei ging das OLG davon aus, dass die AS ihre Parteifähigkeit mit dem Vollzug des Austritts des vereinigten Königsreichs aus der EU gem. Art. 50 EUV nah Ablauf der Übergangsfrist zum 31.12.2020 (Brexit), und damit vor der Antragstellung im vorliegenden Verfahren, verloren habe. Dies begründete das OLG damit, dass der tatsächliche Verwaltungssitz der AS in Deutschland sei.

 

Grundsätzlich würde gegenüber Drittstaaten wegen dem weder im sekundär anzuwendenden Regelungen des Unionsrechts noch im deutschen Recht enthaltenen Kollisionsregeln für Gesellschaften und juristische Personen die Sitztheorie Anwendung finden. Unter Sitz sei der tatsächliche Verwaltungssitz zu verstehen. Dieser sei an dem Ort, an dem die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt würden (BGH, Urteil vom 21.03.1986 - V ZR 10/85 -). Die AS habe nicht belegt, dass ihr tatsächlicher Veraltungssitz in Großbritannien – und nicht, wie von der Antragsgegnerin behauptet – in Berlin sei. Es sei von der AS eine abstrakte steuerrechtliche Aussage ohne konkreten Bezug zu der AS vorgelegt worden, nach der britische Unternehmen ohne Sitz, Geschäftsleitung oder Zweigniederlassung in Deutschland sich nach § 13b Abs.  7 UstG registrieren lassen müssten, weshalb sich zu einem Sitz in Großbritannien daraus nichts ergäbe. Auch eine weiter von ihr vorgelegte Unterlage sage nichts zu einem tatsächlichen Verwaltungssitz in Großbritannien aus; sie enthalte nur eine Bestätigung einer britischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die nicht weiter geprüfte Umsätze der AS enthalte. Beide vorgelegten Unterlagen würden zudem als Anschrift der AS zudem die Anschrift der  Wirtschaftsprüfungsgesellschaft enthalten, was nach lebensnaher Betrachtung die Vermutung zulasse, dass dort eine Umsetzung von Leitungsentscheidungen nicht stattfinde. Auch eine weitere Unterlage enthalte lediglich Angaben zu Buchhaltung und Steuerangelegenheiten, bei denen es sich lediglich um sekundäre Verwaltungstätigkeiten handeln würde. Ein verweis auf das Impressum der Webseite der AS ergäbe auch nichts zugunsten der AS, da dort auch nicht für eine Umsetzung der Leitungsentscheidungen in Großbritannien ersichtlich sei, vielmehr sogar eine Postfachadresse in Berlin angegeben worden sei.

 

Sei damit deutsches recht anzuwenden, sei der numerus clausus der Gesellschaftsformen zu beachten. Das deutsche Recht kenne die Gesellschaftsform der britischen Limited nicht, weshalb diese in Deutschland nicht rechtsfähig sei. Allerdings ei sie nach der sogenannten milden Form der Sitztheorie nicht als rechtliches Nullum zu behandeln, sondern je nach tatsächlicher Ausgestaltung als GbR, OHG oder – wie hier – bei nur einer Gesellschafterin als einzelkaufmännisches Unternehmen (BGH, Urteil vom 27.10.2008 - II ZR 158/06 -), was die volle persönliche Haftung zur Folge habe.

 

 

Auch das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich vom 24.12.2020 ändere daran nichts. Dieses regele den Zugang britischer Unternehmen zum Binnenmarkt. Es gewähre keine Rechtsposition, die der Niederlassungsfreiheit in der Ausprägung der EuGH-Rechtsprechung zur freien Wahl von Sitz und anwendbaren Gesellschaftsrecht gleichkomme. In einem Vorlageaufhebungsbeschluss vom 16.02.2021 - II ZB 25/17 – habe der BGH klar  ausgeführt, dass die Niederlassungsfreiheit (nach der eine Gesellschaft aus einem EU-Land in einem anderen EU-Land ihren Verwaltungssitz haben könne) voraussetze, dass der Staat, nach dessen Recht die Gesellschaft gegründet worden sei, zum Zeitpunkt ihrer Inanspruchnahme der Niederlassungsfreiheit Mitgliedsstaat der EU sei.

 

Aus den Gründen:

 

 Tenor

 

I. Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 23.04.2021, Az. 37 O 3787/21, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Urteil abgeändert und wie folgt neu gefasst wird:

 

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird als unzulässig zurückgewiesen.

 

2. Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz trägt die Direktorin der Antragstellerin, Frau ….

 

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Direktorin der Antragstellerin, Frau ….

 

Gründe

 

I.

 

Die Antragstellerin macht im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung einen kartellrechtlichen Unterlassungsanspruch wegen einer Preisbindung für Kosmetikprodukte geltend.

 

Die Antragsgegnerin zu 1) vertreibt über ein selektives Vertriebssystem mit Hilfe sogenannter Depositäre kosmetische Produkte unter anderem in Deutschland. Die Antragsgegnerin zu 2) ist die Geschäftsführerin der Antragsgegnerin zu 1).

 

Die Antragstellerin behauptet, eine Onlinehändlerin für Kosmetikwaren zu sein.

 

Im Februar 2021 brachte die Antragsgegnerin zu 1) eine Produktserie namens „…“ auf den Markt, wobei für acht Produkte für einen Zeitraum von vier Monaten zwischen dem 15.02.2021 und dem 14.06.2021 eine Preisbindung gemäß Ziffer IV 7. der zwischen den Depositären und der Antragsgegnerin zu 1) geschlossenen Depotverträge (Anlage AG 3) gelten sollte (Anlage ASt 1).

 

Das Landgericht München I hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung durch Urteil vom 23.04.2021, Az. 37 O 3787/21 (Bl. 71/81 d.A.), zurückgewiesen.

 

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des Landgerichts München I vom 23.04.2021 Bezug genommen.

 

Die Antragstellerin greift das Urteil mit ihrer Berufung an und verfolgt ihren Verfügungsantrag weiter.

Im Übrigen wird von einem Tatbestand nach §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1, 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO abgesehen.

 

II.

 

Die Berufung der Antragstellerin ist unbegründet.

 

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist unzulässig, insbesondere ist die Antragstellerin mangels Rechtsfähigkeit nicht parteifähig im Sinne von § 50 Abs. 1 ZPO.

 

a) Die Voraussetzungen der Parteifähigkeit sind gemäß § 56 ZPO von Amts wegen, in jeder Lage des Verfahrens und in jedem Rechtszug zu prüfen. Die objektive Beweislast für ihre Parteifähigkeit trägt die ein Sachurteil begehrende Antragstellerin (vgl. BGH NJW 1996, 1059). Es gilt das Freibeweisverfahren (BGH NJW 2000, 290).

 

b) Die Antragstellerin hatte ihre Rechtsfähigkeit bereits mit Vollzug des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union gemäß Art. 50 EUV mit Ablauf der Übergangsfrist am 31.12.2020 (sog. Brexit), also bereits vor Antragstellung am 22.03.2021, verloren, weil davon auszugehen ist, dass sich ihr tatsächlicher Verwaltungssitz in Deutschland befindet.

 

Grundsätzlich findet gegenüber Drittstaaten wegen der weder im sekundären Unionsrecht (vgl. Art. 1 Abs. 2 lit. f) Rom I-VO und Art. 1 Abs. 2 lit. d) Rom II-VO) noch im autonomen deutschen Recht (vgl. Art. 7 bis 10 EGBGB) enthaltenen Kollisionsregeln für Gesellschaften und juristische Personen aufgrund gewohnheitsrechtlicher Geltung die sogenannte Sitztheorie Anwendung. Danach ist auf eine Gesellschaft das Recht des Staates anzuwenden, das am Sitz der Gesellschaft gilt. Unter Sitz ist dabei der tatsächliche Verwaltungssitz zu verstehen. Dieser befindet sich an dem Ort, an dem die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden (sog. Sandrock’sche-Formel, vgl. BGHZ 97, 269, 272).

 

Die Antragstellerin hat aufgrund der im Wege des Freibeweises zu würdigenden Glaubhaftmachungsmittel nicht zu belegen vermocht, dass sich ihr tatsächlicher Verwaltungssitz in Großbritannien und damit nicht – wie von der Antragsgegnerin vorgetragen – in Berlin und folglich in Deutschland befindet. Bei entsprechender Würdigung der seitens der Antragstellerin im Termin vom 05.08.2021 vorgelegten Unterlagen (Anlagen zum Protokoll, hinter Bl. 142/147 d.A., entsprechend der Nummerierung in einem anderen Verfahren als „Anlage B6“ und „Anlage B7“ bezeichnet sowie ein mit „Invoice“ überschriebenes Dokument) lässt sich die im Verfügungsverfahren notwendige überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen tatsächlichen Verwaltungssitz in Großbritannien für den Senat nicht erkennen:

 

Die „Anlage B6“ enthält lediglich eine abstrakte steuerrechtliche Aussage ohne konkreten Bezug zur hiesigen Antragstellerin dahingehend, dass sich britische Unternehmen ohne Sitz, Geschäftsleitung oder Zweigniederlassung in Deutschland steuerlich nach § 13b Abs. 7 UStG registrieren müssten und hierfür das Finanzamt Hannover-Nord zuständig sei. Über die konkreten tatsächlichen Verhältnisse bei der Antragstellerin im Hinblick darauf, ob die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung in Großbritannien in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden, lässt sich diesem Schreiben einer deutschen Steuerberatungsgesellschaft nichts entnehmen.

 

Auch die „Anlage B7“ sagt über die faktischen Voraussetzungen für einen tatsächlichen Verwaltungssitz in Großbritannien nichts aus, sondern enthält nur eine Bestätigung einer britischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, welche nicht weiter geprüften Umsätze die Antragstellerin ausweislich ihrer Bücher für das am 31.12.2019 endende Jahr gemacht hat. Die „Anlage B7“ spricht ebenso wie die nachfolgende „Invoice“ vom 05.08.2021 eher gegen einen tatsächlichen Verwaltungssitz der Antragstellerin in Großbritannien, weil ihre Geschäftsanschrift mit der Adresse der beiden aus „Anlage B7“ und der „Invoice“ ersichtlichen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften identisch ist, was bei lebensnaher Betrachtung die Vermutung zulassen dürfte, dass dort eine Umsetzung von Leitungsentscheidungen gerade nicht stattfindet, sondern vielmehr von den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften im Rahmen einer entsprechenden Dienstleistung der Schein eines Unternehmenssitzes aufrechterhalten wird, indem Post entgegengengenommen und bearbeitet wird.

 

Aus der – erst auf den Tag der mündlichen Verhandlung datierenden und dem Antragstellervertreter offenbar während der Sitzung elektronisch übermittelten – „Invoice“ selbst lässt sich wiederum für die Voraussetzungen eines tatsächlichen Verwaltungssitzes nach der Sandrock’schen- Formel nichts ableiten, da sie lediglich zwei Rechnungsposten betreffend beim Companies House einzureichende Buchhaltungsunterlagen sowie eine Körperschaftssteuererklärung enthält. Für die Umsetzung von Leitungsentscheidungen der Gesellschaft in Großbritannien ist daraus nichts ersichtlich, da sekundäre Verwaltungstätigkeiten wie die Erledigung der Buchhaltung oder der Steuerangelegenheiten grundsätzlich nicht ausreichen (vgl. LG Essen NJW 1995, 1500, 1501).

 

Schließlich waren auch die protokollierten Ausführungen des Antragstellervertreters im Termin vom 05.08.2021 (Bl. 142/147 d.A.) nicht geeignet, die Voraussetzungen für einen tatsächlichen Verwaltungssitz in Großbritannien zu belegen. Der Verweis auf die Anlage AG 13 war insofern unbehilflich, als es sich dabei um das Impressum der Webseite der Antragstellerin handelt, aus dem für die tatsächliche Umsetzung von Leitungsentscheidungen auf dem Gebiet Großbritanniens nichts ersichtlich ist, sondern wo vielmehr nur die Berliner Postfachadresse der Antragstellerin aufscheint.

 

Unergiebig sind insoweit auch die Einlassungen, dass es ein Büro in den USA und im Vereinigten Königreich gebe, die Produkte im Wege des Drop Shipping vertrieben würden, die Gesellschaft komplett in England steuerlich veranlagt werde, ein Unternehmen dort besteuert werde, wo es seinen Sitz habe, § 4 Abs. 3 GewO die Voraussetzungen für eine Niederlassung in Deutschland definiere, eine allgemeingültige Definition für eine Niederlassung nicht existiere und die Voraussetzungen von § 4 Abs. 3 GewO für die Antragstellerin in Deutschland nicht vorlägen. Nach dem oben Gesagten ist für die Frage des tatsächlichen Verwaltungssitzes allein die zitierte Sand- rock‘sche-Formel maßgeblich, die auf die Umsetzung von Leitungsentscheidungen im maßgeblichen Staatsgebiet abstellt. Ein Rückgriff auf britisches oder deutsches Steuerrecht oder deutsches Gewerberecht verbietet sich, weil steuerliche oder gewerberechtliche Definitionen des Sachrechts keinen Schluss auf die im Rahmen einer Kollisionsnorm maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse zulassen, wo bei der Antragstellerin die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden.

 

Im Ergebnis ist daher auf die Antragstellerin nach der Sitztheorie das Recht des Landes anzuwenden, das am tatsächlichen Verwaltungssitz gilt, mithin – aufgrund der nicht erfüllten Glaubhaftmachungslast für einen tatsächlichen Verwaltungssitz in Großbritannien – deutsches Recht. Da im deutschen Gesellschaftsrecht der sogenannte numerus clausus der Gesellschaftsformen gilt und das deutsche Recht die Gesellschaftsform der britischen Limited nicht kennt, ist sie nicht als solche rechtsfähig. Nach der sogenannten milden Form der Sitztheorie ist sie allerdings nicht als rechtliches Nullum zu behandeln, sondern je nach tatsächlicher Ausgestaltung als GbR, OHG oder – wie vorliegend – bei nur einer Gesellschafterin als einzelkaufmännisches Unternehmen (BGH NJW 2009, 289 Rn. 23 – Trabrennbahn) mit der Konsequenz der vollen persönlichen Haftung.

 

c) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin folgt etwas anderes nicht daraus, dass aufgrund des Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich vom 24.12.2020 (ABl. L 444/2020 vom 31.12.2020) auf Gesellschaften aus Großbritannien weiterhin die Gründungstheorie anzuwenden sein soll, mit der Konsequenz der fort- bestehenden Rechts- und Parteifähigkeit trotz tatsächlichem Verwaltungssitz auf dem Gebiet der Europäischen Union wie unter der Geltung der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49, 54 AEUV. Das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und Großbritannien, das insbesondere den Zugang britischer Unternehmen zum Binnenmarkt regelt, gewährt keine Rechtsposition, die der Niederlassungsfreiheit in der Ausprägung der EuGH-Rechtsprechung zur freien Wahl von Sitz und anwendbarem Gesellschaftsrecht gleichkommt. Das zeigt insbesondere der Vorlageaufhebungsbeschluss des BGH vom 16.02.2021 – II ZB 25/17, in dem er unzweideutig davon ausging, dass die Niederlassungsfreiheit voraussetzt, dass der Staat, nach dessen Recht die Gesellschaft gegründet wurde, im Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Niederlassungsfreiheit durch die Gesellschaft ein Mitgliedstaat der Europäischen Union ist (NZG 2021, 702 Rn. 11 ff.). Hätte sich an der Rechtslage durch den Brexit nichts geändert, wären die Vorlagefragen des BGH an den EuGH unverändert entscheidungserheblich gewesen.

 

Das Handels- und Kooperationsabkommen enthält keine Vorschriften, die ausdrücklich und unmittelbar die Niederlassungsfreiheit gewähren. Soweit in der Literatur aus Vorschriften wie den Artikeln SERVIN 2.2 (b), SERVIN 2.3 und SERVIN 2.4 des Abkommens über Investitionsfreiheit und Marktzugang teilweise abgeleitet wird, dass nach dem Recht des Vereinigten Königreichs gegründete Gesellschaften weiterhin in den Genuss der Niederlassungsfreiheit kommen würden (Schmidt, EuZW 2021, 613, 615 ff.; Zwirlein-Forschner, IPRax 2021, 357, 360 f.), ist dem nicht zu folgen. Nach diesen Vorschriften gewähren die Vertragsparteien den Unternehmen gegenseitig Marktzugang, Inländerbehandlung und Meistbegünstigung. Die Bestimmungen enthalten jedoch nur Regelungen zum Verkehr mit Handelsgütern und Dienstleistungen sowie zum freien Kapitalverkehr und zu Investitionen, von denen die Niederlassungsfreiheit zu unterscheiden ist. Für den diskriminierungsfreien Zugang zum Markt für Waren, Dienstleistungen und Kapital ist die Niederlassungsfreiheit nicht erforderlich. Aus dem Anhang SERVIN-1 Nr. 10 ergibt sich zudem, dass die Parteien des Abkommens die Niederlassungsfreiheit gerade nicht in Bezug nehmen oder vereinbaren wollten („Zur Klarstellung sei angemerkt, dass für die Union mit der Verpflichtung zur Inländerbehandlung nicht die Anforderung verbunden ist, die Behandlung auf (…) juristische Personen des Vereinigten Königreichs auszudehnen, die in einem Mitgliedstaat aufgrund des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (…) folgenden Personen gewährt wird: (…) (ii) nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats (…) gegründeten (…) juristischen Personen, die (…) ihre Hauptverwaltung (…) in der Union haben.“; vgl. Schollmeyer, NZG 2021, 692, 693).

 

Im Ergebnis ist der Verfügungsantrag von einer nicht (mehr) existierenden juristischen Person erhoben worden und war deshalb mangels Rechts- und Parteifähigkeit der Antragstellerin nach

 

§ 50 Abs. 1 ZPO von Anfang an unzulässig. Dem ist in der Berufungsinstanz nicht durch die Verwerfung der Berufung, sondern durch die Abänderung des Ersturteils und die Zurückweisung des Verfügungsantrags als unzulässig zu begegnen, da ein Sachurteil nicht hätte ergehen können (vgl. BGHZ 143, 122, 126 f.).

 

 

2. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf  § 91 Abs. 1Z PO. Die Kosten sind der vormaligen gesetzlichen Vertreterin der Antragstellerin, Frau …, aufzuerlegen, da sie das unzulässige Verfahren veranlasst hat (BGH BeckRS 2010, 17612 Rn. 16; BeckOK ZPO/Jaspersen, 41. Ed.1.7.2021,§91,Rn.53). Eine Entscheidung über die Revisionszulassung unterbleibt wegen §542 Abs. 2 Satz 1 ZPO.