Kammergericht Berlin,
Beschluss vom 13.05.2024 - 22 W 16/14 -
Kurze Ihaltsangabe:
Die bereits im Handelsregister eingetragene beteiligte Aktengesellschaft änderte ihren Firmennamen und meldete (u.a.) die zum Handelsregister an. Das Registergericht beanstandete mit
Zwischenverfügung die neu gewählte Firma „XXX.de AG“, da es an einer nach §§ 18,30 HGB notwendigen Individualisierung fehle. Dagegen legte die Beteiligte Beschwerde ein, der das Amtsgericht nicht
abhalf. Die in der Sache statthafte Beschwerde wies das Kammergericht (KG) als Beschwerdegericht als unbegründet zurück.
Die Regelung des § 18 Abs. 1 HGB gelte nach § 6 HGB iVm. § 3 Abs. 1 AktG auch für die Firmenbildung einer Aktiengesellschaft. § 18 Abs. 1 HGB fordere eine Kennzeichnungseignung und
Unterscheidungskraft, weshalb erforderlich sei, dass die gewählte Bezeichnung als Name verwandt werden könne und individualisierend wirken müsse; an der Unterscheidungskraft würde es fehlen, wenn
ein „Allerweltsname“ genutzt würde als auch dann, wenn die Bezeichnung rein beschreibender Natur sei (wie z.B. bei Gattungsbezeichnungen). Beispielhaft führte das KG aus, dass damit der
Bezeichnung Vertrieb.de die Unterscheidungskraft fehle (was auch für die von der beteiligten verwandte Bezeichnung „XXX“ (die im veröffentlichen Beschluss nicht namentlich benannt wurde).
Vorliegend habe es sich um einen Internet-Domain gehandelt, die nach den Vergaberichtlinien der Denic eG nur einmal vergeben würde. Daraus würde teilweise gefolgert, dass die Unterscheidungskraft
aufgrund der durch die Top-Level-Domain (hier: de) hervorgerufenen Alleinstellung die Internet-Domain auch Namensfunktion für die Firma haben könne (so OLG Dresden, Beschluss vom 15.11.2010 - 13
W 890/10 -). Das aber greife zu kurz, da es nicht nur um die Verwendung einer Bezeichnung im Internet gehen würde (so auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 13.10.2010 - 20 W 196/10 -; LG Köln,
Beschluss vom 08.02.2008 - 88 T 04/08 -). § 18 Abs. 1 HGB verlange keine Alleinstellung in irgendeiner Richtung, vielmehr eine Kennzeichnungskraft im allgemeinen Geschäftsverkehr. Eine Firma
(Anmerkung: Dies ist nach § 17 Abs. 1 HGB der Name des Kaufmanns, unter dem er seine Geschäfte betreibt) würde auch auf dem Geschäftspapier ( §§ 80 AktG, 37a HGB), in Verträgen, in der Werbung
und zur Kennzeichnung von Geschäftsräumen verwandt. Die Firma solle vor allem eine Verwechslungsgefahr ausschließen, die im Internet (bei der Domain mit Top-Level-Domain) ausgeschlossen sein
möge, nicht aber im Übrigen. So wäre eine Verwechslungsgefahr von „XXX.de AG“ zu einer „XXX.com AG“, die aufgrund ihrer Alleinstellung dann ebenfalls zulässig sein müsse, nicht gegeben, da die
Top-Level-Domain in der Regel nicht prägend wahrgenommen würde.
Erst aus der notwendigen Kennzeichnungskraft der zulässig gewählten Firma folge die firmenrechtliche Alleinstellung (vgl. § 30 HGB). Hinzu käme das Freihaltungsbedürfnis bezüglich einer allgemein
gehaltenen Bezeichnung, die die Bildung anderer Firmen nicht übermäßig beeinträchtigen dürfe. Dass hier die von der Beteiligten verwandte Bezeichnung Verkehrsgeltung habe, sei nicht geltend
gemacht worden und auch nicht ersichtlich (Anmerkung: im Falle der Verkehrsgeltung käme es nicht mehr darauf an, ob es sich [auch] um eine Internetdomain handelt, selbst wenn der Bezeichnung die
Top-Level-Domain angehangen wird).
Aus den Gründen:
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligte, eine Aktiengesellschaft, ist seit dem 10. Januar 2008 zunächst im Handelsregister des Amtsgerichts Düsseldorf und seit dem 16. Oktober 2015 im Handelsregister Abteilung B des
Amtsgerichts Charlottenburg eingetragen.
Mit einer notariell beglaubigten und in elektronischer Form eingereichten Anmeldung vom 22. Dezember 2023 meldete das einzige Vorstandsmitglied unter Beifügung eines notariell beurkundeten
Beschlusses der Hauptversammlung vom gleichen Tag eine Neufassung der Satzung, insbesondere mit Änderungen der Firma, des Gegenstands, des Geschäftsjahres und der Vertretungsbefugnis, an. Der
Anmeldung war weiter eine Satzungsneufassung beigefügt. Mit einer Zwischenverfügung vom 13. Februar 2024 beanstandete das Registergericht die neu gewählte Firma „xxxxxxxxxxxxx.de AG“ mit dem
Hinweis, dass es der Bezeichnung an der nach §§ 18, 30 HGB notwendigen Individualisierung mangele.
Gegen diese Zwischenverfügung hat der Verfahrensbevollmächtigte mit einem Schriftsatz vom 13. März 2024 Beschwerde eingelegt. Der Verkehr nehme den Zusatz „.de“ nicht nur als Anhängsel, sondern
als Individualisierungsmerkmal wahr, weil allgemein bekannt sei, dass der Zusatz einer first-Level-Domain wie „.de“ mit dem weiteren Begriff, sei es auch eine Gattungsbezeichnung, nur einmal
vergeben werde. Dementsprechend sei es auch in einer Vielzahl vergleichbarer Fälle zu Eintragungen gekommen.
Das Amtsgericht hat diesem Rechtsmittel gleichwohl nicht abgeholfen und die Sache dem Senat mit einem Beschluss vom 18. März 2024 zur Entscheidung vorgelegt.
II.
1. Die im Namen der „Antragstellerin“ eingelegte Beschwerde vom 13. März 2024 ist nach § 58 Abs. 1 FamFG statthaft. Dass es sich bei der angegriffenen Entscheidung um eine
Zwischenverfügung handelt, schadet nicht, vgl. § 382 Abs. 4 Satz 2 FamFG. Die Beteiligte ist auch als Antragstellerin anzusehen und als solche auch beschwerdebefugt, weil es um sie
betreffende Eintragungen und damit um tatsächlich oder vermeintlich ihr zustehende Rechte geht, so dass die Voraussetzungen des § 59 Abs. 1 und 2 FamFG erfüllt sind. Die Beschwerde ist
auch form- und fristgerecht eingelegt worden. Aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung der Firma einer Gesellschaft wird auch der notwendige Beschwerwert erreicht.
2. Die Beschwerde hat aber keinen Erfolg. Die gewählte Firma „xxxxxxxxxxxx.de AG“ erfüllt nicht die notwendigen Anforderungen nach § 18 Abs. 1 HGB.
Die Regelung des § 18 Abs. 1 HGB gilt nach § 6 HGB in Verbindung mit § 3 Abs. 1 AktG auch für die Firmenbildung bei einer AG. Die nach § 18 Abs. 1 HGB
notwendige Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft erfordert zunächst, dass die gewählte Bezeichnung als Name verwandt werden kann und damit individualisierend wirken muss. Darüber hinaus
muss sie auch Unterscheidungskraft haben, woran es nicht nur dann fehlt, wenn die Bezeichnung aus einem Allerweltsnamen besteht, sondern wenn sie rein beschreibender Natur ist, wie dies etwa bei
Gattungsbezeichnungen der Fall ist. Danach wäre die Bezeichnung Vertrieb.de mangels ausreichender Unterscheidungskraft nicht geeignet, als Name einer Handelsgesellschaft zu dienen.
Bei der Bezeichnung handelt es sich aber darüber hinaus um eine Internet-Domain, die nach den Vergaberichtlinien der Denic eG nur einmal vergeben wird. Hieraus wird teilweise geschlossen, dass
die gewählte Bezeichnung unabhängig von ihrer Unterscheidungskraft im Allgemeinen aufgrund der durch die Top-Level-Domain – hier .de – hervorgerufenen Alleinstellung auch Namensfunktion haben
könne (vgl. dazu Staub/Burgard, HGB, 6. Aufl. 2023, § 18 Rn. 29a; Foerster in Heymann, HGB, 3. Aufl. 2019, § 18 Rn. 22; MüKoHGB/Heidinger, 5. Aufl., § 18 Rdn. 33a; aus der
Rechtsprechung: OLG Dresden, Beschluss vom 15. November 2010 – 13 W 890/10 –, juris Rn. 17).
Dies greift allerdings nach Auffassung des Senats zu kurz, weil es nicht nur um die Verwendung einer Bezeichnung im Internet geht (ebenso OLG Frankfurt, Beschluss vom 13.
Oktober 2010 – 20 W 196/10 –, juris Rn. 20; LG Köln, Beschluss vom 8. Februar 2008 – 88 T 04/08 –, juris Rn. 14; im Ergebnis ebenso: BeckOK-HGB/Bömeke, Stand: 01.04.2024, § 18 Rn. 16;
Koller/Kindler/Kindler/Drüen/Roth/Stelmaszczyk, HGB, 10. Aufl., § 18 Rn. 4; Röricht/Graf von Westphalen/Ries, HGB, 6. Aufl., § 18 Rn. 18; Seifert, Rpfleger 2001, 395). § 18
Abs. 1 HGB setzt keine Alleinstellung der Bezeichnung in irgendeiner Richtung voraus, sondern eine Kennzeichnungskraft im allgemeinen Geschäftsverkehr. Denn eine Firma wird auch auf dem
Geschäftspapier (§§ 80 AktG, 37a HGB), in Verträgen, in der Werbung und zur Kennzeichnung von Geschäftsräumen benutzt. Diese soll vor allem auch eine Verwechslungsgefahr ausschließen, die im
Internet ausgeschlossen sein mag, nicht aber im Übrigen. So wäre eine solche etwa bei der xxxxxxxx.com AG, die aufgrund ihrer Alleinstellung ebenfalls zulässig sein müsste, nicht gegeben, weil
der Verkehr die Top-Level-Domain in der Regel nicht als prägend wahrnimmt. Erst aus der notwendigen Kennzeichnungskraft der zulässig gewählten Firma folgt dann die firmenrechtliche
Alleinstellung, wie sie etwa in § 30 HGB zum Ausdruck kommt. Hinzu kommt das Freihaltebedürfnis bezüglich einer allgemein gehaltenen Bezeichnung, die die Bildung anderer Firmen nicht
übermäßig beeinträchtigen darf. Dass die Bezeichnung zu Gunsten der Antragstellerin Verkehrsgeltung hat, wird nicht behauptet und ist auch nicht ersichtlich.
Danach hat das Amtsgericht die gewählte Firma zu Recht beanstandet und im Rahmen einer Zwischenverfügung zu ihrer Änderung aufgefordert.
3. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Die Verpflichtung der Beschwerdeführerin zur Tragung der Gerichtskosten ergibt sich aus dem Gesetz. In dieser Sache ist die Rechtsbeschwerde
zuzulassen, weil die Frage der Zulässigkeit der Bildung einer Firma aus einer Internetdomain, die aus nicht unterscheidungskräftigen Bestandteilen besteht, umstritten ist. Damit liegen die
Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 FamfG vor.