Geselslchaftsrecht


Britische Limited: Prozess- und Parteifähigkeit und Beteiligte in Steuersachen

BFH, Beschluss vom 13.10.2021 - 1 B 31/21 -

Kurze Inhaltsangabe mit weiterführenden Ausführungen:

 

Die Klägerin war eine Kapitalgesellschaft in Form der Rechtsform einer Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland (in der Wohnung des alleinigen Anteilseigners und „manager director“. Mit Körperschaftssteuerbescheid für 2018 setze das beklagte Finanzamt (FA) eine verdeckte Gewinnausschüttung an erhöhte so das Einkommen der Gesellschaft. Der Einspruch und die Klage dagegen wurden abgewiesen. Die Klägerin wandte sich gegen die Nichtzulassung der Revision. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vor dem BFH wies das FA darauf hin, dass die Klägerin als britische Limited mittlerweile als Drittstaatengesellschaft zu qualifizieren sei.

 

Der BFH bestätigte die Beteiligtenfähigkeit der Klägerin im Beschwerdeverfahren.

 

Nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland (UK) aus der Europäischen Union („Brexit“) habe sich der zivilrechtliche Status einer nach dem Recht des UK gegründeten Kapitalgesellschaft in Form der Limited geändert. Als Gesellschaft eines Drittstaates mit inländischen Verwaltungssitz könne sie sich nicht mehr auf die Niederlassungsfreiheit innerhalb der Europäischen Union berufen, weshalb die sogen. Sitztheorie für die Bestimmung der Rechtsfähigkeit greife (BGH, Urteil vom 27.10.2008 - II ZR 158/06 -). Dies führe zum Verlust der Rechtsfähigkeit (BGH aaO.).  

 

Anmerkung: In einem Verfahren vor dem Kartellsenat des OLG München (Urteil vom 05.08.2021 -29 U 2411/21 Kart -) und die Rechts- und damit Parteifähigkeit der Limited nach § 50 Abs. 1 ZPO als Prozessvoraussetzung negiert. In den Leitsätzen der Entscheidung dazu heißt es:

 

„1. Seit dem Vollzug des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union gemäß Art. 50 EUV durch Ablauf der Übergangsfrist am 31. Dezember 2020 ist eine britische Limited, die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in Deutschland hat, nach der sogenannten milden Form der Sitztheorie je nach tatsächlicher Ausgestaltung als GbR, OHG oder - bei nur einer Gesellschafterin - als einzelkaufmännisches Unternehmen zu behandeln.

 

2. Eine Fortgeltung der Gründungstheorie mit der Konsequenz der fortbestehenden Rechts- und Parteifähigkeit einer britischen Limited trotz tatsächlichem Verwaltungssitz in Deutschland wie unter der Geltung der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49, 54 AEUV folgt nicht aus dem Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich vom 24. Dezember 2020 (ABl. L 444/2020 vom 31. Dezember 2020), weil es keine Vorschriften enthält, die ausdrücklich und unmittelbar die Niederlassungsfreiheit gewähren, sondern sich aus seinem Anhang SERVIN-1 Nr. 10 vielmehr ergibt, dass die Parteien des Abkommens die Niederlassungsfreiheit gerade nicht in Bezug nehmen oder vereinbaren wollten.“

 

Für die Beteiligungsfähigkeit einer Kapitalgesellschaft nach dem Recht des UK mit Verwaltungssitz in Deutschland sah dies der BFH etwas differenzierter. Zwar läge ein Verlust der zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit der Gesellschaft vor, doch ließe dies ihre Qualifikation als Körperschaftsteuersubjekt iSv. §§ 1 Abs. 1, 2 Nr. 1 KStG unberührt, was auch von § 8 Abs. 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairen Steuerwettbewerb (StAbwG) in allen offenen Fällen nach § 34 Abs. 3c KStG für ertragssteuerliche Zwecke nachmals klargestellt sei. Für die körperschaftsteuerliche Behandlung einer ausländischen Gesellschaft käme es nicht auf die Rechtsfähigkeit derselben an, sondern auf den Typenvergleich. Aus diesem Vergleich folge aber, dass die britische Limited als Körperschaftsteuersubjekt zu behandeln sei.

 

Aus dieser Behandlung sei verfahrensrechtlich auch deren Fähigkeit, Beteiligte in einem finanzgerichtlichen Verfahren zu sein, zu bejahen. Im finanzgerichtlichen Verfahren richte sich die Beteiligtenfähigkeit nicht nach der zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit, sondern nach der Steuerrechtsfähigkeit. Es entspräche der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass - selbst bei zivilrechtlicher Vollbeendigung einer Gesellschaft - die Beteiligtenfähigkeit bis zur Abwicklung der steuerrechtlichen Rechtsbeziehung andauere, weshalb hier die Klägerin als britische Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland auch die Beschwerde hätte einlegen können.

 

 

In der Sache wurde allerdings die Beschwerde als unzulässig verworfen. Die rechtsgrundsätzliche Bedeutung sei nicht in einer den Anforderungen des § 117 Abs. 3 S. 3 FGO genügenden Weise dargelegt worden.

 

Aus den Gründen:

 

Tenor

 

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 24.03.2021 - 1 K 84/20 wird als unzulässig verworfen.

 

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

 

Tatbestand

 

I.

 

Unternehmensgegenstand der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), einer britischen Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer Limited, ist ... Alleiniger Anteilseigner und "managing director" ist M. In dessen inländischer Wohnung befindet sich auch die Geschäftsleitung der Klägerin.

 

Die Klägerin schloss mit M im April 2006 eine in englischer Sprache abgefasste Vereinbarung, wonach die Klägerin dem M für dessen geplantes Studium ... eine finanzielle Unterstützung gewährt. Die Ausgaben für das Studium und die Reisekosten von geschätzt ... US-Dollar sollten von der Klägerin getragen beziehungsweise von dieser erstattet werden, "when and as far this is possible", so der Vertragstext. M absolvierte erfolgreich das Studium; er trug die damit zusammenhängenden Kosten zunächst selbst. Erstattungszahlungen von Seiten der Klägerin erfolgten nicht, vielmehr passivierte diese in ihren Bilanzen eine entsprechende Verbindlichkeit.

 

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) setzte im streitigen Körperschaftsteuerbescheid für 2018 eine verdeckte Gewinnausschüttung an und erhöhte das Einkommen der Klägerin.

 

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, dass die im April 2006 getroffene Vereinbarung weder dem formellen noch dem materiellen Fremdvergleich standhalte. Die Kostenerstattungsregelung sei nicht klar und eindeutig. Auch würde ein gesellschaftsfremder Vertragspartner keine Vereinbarung akzeptiert haben, wonach er erhebliche Gelder zu verauslagen habe, ohne dass klar geregelt sei, ob und wann eine Kostenerstattung erfolge (Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG vom 24.03.2021 - 1 K 84/20).

 

Das FG ließ die Revision nicht zu. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde. Das FA tritt dem diesbezüglichen Vorbringen entgegen. Es weist zudem auf den Umstand hin, dass die Klägerin als britische Limited mittlerweile als Drittstaatengesellschaft zu qualifizieren sei.

 

Entscheidungsgründe

 

II.

 

Die Beschwerde ist unzulässig und daher durch Beschluss zu verwerfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

 

1. Die Klägerin ist im vorliegenden Beschwerdeverfahren beteiligtenfähig.

 

Durch den Austritt des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland (UK) aus der Europäischen Union ("Brexit") hat sich zwar der zivilrechtliche Status einer nach dem Recht des UK gegründeten Kapitalgesellschaft in Form der Limited geändert. Denn als Gesellschaft eines Drittstaats mit inländischem Verwaltungssitz kann sich die Limited fortan nicht mehr auf die Niederlassungsfreiheit berufen und die Frage ihrer Rechtsfähigkeit bestimmt sich nach der sog. Sitztheorie (Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 27.10.2008 - II ZR 158/06, BGHZ 178, 192, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2009, 59; vgl. Pfirrmann in Brandis/Heuermann, § 12 KStG Rz 122). Dies führt zwar zum Verlust der (zivilrechtlichen) Rechtsfähigkeit (vgl. BGH-Urteil in BGHZ 178, 192, DStR 2009, 59, zu einer Schweizer Aktiengesellschaft; Urteil des Oberlandesgerichts München vom 05.08.2021 - 29 U 2411/21 Kart, Der Betrieb 2021, 2349, zur britischen Limited), lässt aber die Qualifikation einer britischen Limited als Körperschaftsteuersubjekt i.S. der §§ 1 Abs. 1, 2 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) unberührt, was von § 8 Abs. 1 Satz 4 KStG i.d.F. des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb und zur Änderung weiterer Gesetze (StAbwG) vom 25.06.2021 (BGBl I 2021, 2056, BStBl I 2021, 895) in allen offenen Fällen (§ 34 Abs. 3c KStG i.d.F. des StAbwG) für ertragsteuerrechtliche Zwecke nochmals klargestellt wird. Zur Begründung ist darauf hinzuweisen, dass es für die körperschaftsteuerrechtliche Behandlung einer ausländischen Gesellschaft nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht auf die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit, sondern auf den sog. Typenvergleich ankommt (Senatsurteile vom 20.08.2008 - I R 34/08, BFHE 222, 521, BStBl II 2009, 263; vom 24.10.2018 - I R 69/16, BFHE 263, 146, BStBl II 2019, 401, zur britischen Limited). Aus diesem Vergleich folgt aber, dass eine britische Limited als Körperschaftsteuersubjekt zu behandeln ist (vgl. Senatsurteil in BFHE 263, 146, BStBl II 2019, 401; Pfirrmann in Brandis/Heuermann, § 12 KStG Rz 124; Hackemann in Bott/Walter, KStG, § 12 Rz 82; Kolbe in Herrmann/Heuer/Raupach, § 12 KStG Rz 70, 73; Kudert/Kahlenberg, Finanz-Rundschau 2019, 250).

 

Verfahrensrechtlich folgt aus der Qualifizierung der Limited als Körperschaftsteuersubjekt deren Fähigkeit, Beteiligte in einem finanzgerichtlichen Verfahren zu sein (vgl. FG Münster, Beschluss vom 11.05.2011 - 9 V 3872/10 K, Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1443). Denn die Beteiligtenfähigkeit richtet sich nicht nach der zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit, sondern nach der Steuerrechtsfähigkeit (Gräber/Levedag, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 57 Rz 11, m.w.N.). Dabei entspricht es ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass die Beteiligtenfähigkeit --selbst bei zivilrechtlicher Vollbeendigung einer Gesellschaft-- bis zur Abwicklung der steuerrechtlichen Rechtsbeziehungen andauert (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 28.01.2004 - I B 210/03, BFH/NV 2004, 670). Nach alledem kann die Klägerin ihr rechtliches Begehren im vorliegenden Verfahren selbst geltend machen.

 

2. Die rechtsgrundsätzliche Bedeutung der Sache wurde nicht in einer den Vorgaben aus § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise dargelegt. Es fehlt bereits an der Formulierung einer bestimmten Rechtsfrage, die einer abstrakten Klärung zugänglich ist (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10.05.2012 - X B 71/11, BFH/NV 2012, 1461).

 

Sollte das Beschwerdevorbringen dahin zu verstehen sein, dass die Klägerin es als unklar ansieht, ob und wie die Rechtsgrundsätze des Fremdvergleichs den Besonderheiten eines "Neustartfalles" oder "Startup-Projekts" anzupassen sind, so fehlen substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer abstrakten Rechtsfrage. Dazu wäre eine Auseinandersetzung mit den in Rechtsprechung und Literatur hierzu vertretenen Auffassungen --vorliegend insbesondere zu den Anforderungen an den formellen und materiellen Fremdvergleich-- erforderlich gewesen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 20.04.2000 - V B 156/99, BFH/NV 2000, 1347; vom 20.02.2008 - VIII B 53/07, BFH/NV 2008, 971). Eine solche Auseinandersetzung fehlt in der Beschwerdebegründung vollständig. Dort legt die Klägerin im Wesentlichen die tatsächlichen Besonderheiten "ihres" Falles dar, die ihres Erachtens eine Fortschreibung der Rechtsprechung nahelegen. Damit wird aber nicht die Bedeutung der Rechtsfrage für die Allgemeinheit, sondern lediglich das individuelle Interesse der Klägerin an der Nachprüfung der vorinstanzlichen Entscheidung aufgezeigt (vgl. allgemein BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2000, 1347, und in BFH/NV 2008, 971). Das rechtfertigt die Revisionszulassung nicht. Denn das Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Entscheidungen zu gewährleisten (vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 18.09.2012 - I B 10/12, BFH/NV 2013, 27; vom 29.01.2013 - I B 181/12, BFH/NV 2013, 757).

 

Im Übrigen ist der von der Klägerin dargestellte Gleichlauf ihrer Interessen und derjenigen des M im Sinne eines "gemeinsamen Gesamtplanes" gerade der Grund, Vereinbarungen zwischen der Gesellschaft und ihrem beherrschenden Anteilseigner auf ihre Fremdüblichkeit hin zu überprüfen. Denn die Rechtsbeziehungen zwischen Fremden sind typischerweise durch einen bestehenden Interessengegensatz gekennzeichnet. Die im Streitfall zu beurteilende Kostenerstattungsregelung ("when and as far this is possible") ist unklar und ermöglicht es einem Steuerpflichtigen, die Höhe und die zeitliche Zuordnung des Gewinns der von ihm beherrschten Kapitalgesellschaft nach Belieben zu steuern. Deshalb ist in solchen Fällen ein formeller Fremdvergleich geboten (vgl. allgemein Gosch in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 8 Rz 323).

 

3. Die unter Ziffer 7. der Beschwerdebegründung erhobene Aufklärungsrüge ist nicht ordnungsgemäß geltend gemacht worden. Dazu hätten nach der Rechtsprechung zu mehreren Einzelpunkten substantiierte Ausführungen gemacht werden müssen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 21.05.2013 - III B 150/12, BFH/NV 2013, 1431), was vorliegend auch nicht ansatzweise geschehen ist.

 

4. Von einer weitergehenden Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.

 

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.