Trennung bei Eröffnung des gemeinschaftlichen Testaments
OLG Zweibrücken, Beschluss
vom 16.05.2024 - 8 W 13/24 -
Kurze Inhaltsangabe (mit Anmerkung)
Die Eheleute hatten ein gemeinschaftliches Testament errichtet. Der überlebende Ehemann (Beteiligter zu 1) hatte beantragt, das hinterlegte Testament nur teilweise (ohne dessen Ziffer 3) zu
eröffnen und bekannt zu geben. Mit Beschluss verwies das Nachlassgericht darauf, dass es gedenke das gesamte Testament zu eröffnen und den Beteiligten bekanntzugeben, mit der Begründung, dass
zwar nach § 349 Abs. 1 FamFG trennbare Verfügungen des Überlebenden erst im zweiten Erbgang bekannt zu geben seien, es sich hier aber nicht um eine trennbare Verfügung handele. Die gegen den
Beschluss eingelegte Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht (OLG) zurückgewiesen.
Obwohl es sich bei dem Beschluss nur um eine Zwischenentscheidung handelte, sah das OLG die Beschwerde als zulässig an, da sie hier wegen der Schwere der aus ihr möglicherweise folgenden
Rechtsverletzung wie eine Endentscheidung zu behandeln sei und damit der Beschwerdeweg nach § 59 FamFG eröffnet sei (so auch bereits OLG München, Beschluss vom 07.04.2021 - 31 Wx 108/21 -).
Das Nachlassgericht habe das in seiner Verwahrung befindliche Testament zu eröffnen, sobald es vom Tod des Erblassers Kenntnis erlange, § 348 Abs. 1 FamFG. Grundsätzlich habe sich die Eröffnung
auf das gesamte Schriftstück zu beziehen. Für die Eröffnung gemeinschaftlicher Testamente mache § 349 Abs. 1 FamFG insoweit eine Ausnahme, als im Geheimhaltungsinteresse des überlebenden
Ehegatten dessen Verfügungen den übrigen Beteiligten nicht bekannt zu eben seien, soweit sie sich von den Verfügungen des Erstverstorbenen trennen ließen.
Vorliegend sei Ziffer 3 im gemeinschaftlichen Testament nicht trennbar. Die Rechtsprechung sei dahingehend einheitlich, dass die Trennbarkeit bei Verwendung der sprachlichen Mehrheitsform
(Wir-Form“) nicht vorläge, ebenso nicht, wenn die Verfügungen von den Eheleuten mit „der Überlebende von uns“ oder „der Längstlebende von uns“ eingeleitet würden (z.B. OLG München aaO.; OLG
Schleswig, Beschluss vom 23.11.2012 - 3 Wx 74/12 -). Dadurch würde zum Ausdruck gebracht, dass nicht nur überlebende Ehegatte die Verfügung getroffen habe, sondern auch der Erstverstorbene.
Unbeachtlich sei dabei, dass die Verfügung die der Erstverstorbene für den Fall, dass er der Längerlebende gewesen wäre, getroffen habe, würde nicht dadurch unwirksam, dass er nun
Erstverstorbener ist; die Frage der Wirksamkeit der Verfügungen sei bei Eröffnung des Testaments gerade nicht zu prüfen (BGH, Beschluss vom 11.04.1984 - Iva ZB 16/83 -). Die Eheleute hätten es
durch entsprechende sprachliche Formulierungen in der Hand gehabt, ihre jeweiligen Verfügungen in trennbarer Weise vorzunehmen (BVerfG, Beschluss vom 02.02.1994 - 1 BvR 1245/89 -).
Auch der hier vorliegende Umstand, dass dem Überlebenden das Recht zur Änderung der unter Ziffer 3 benannten Verfügung eingeräumt worden sei, stünde einer Eröffnung nicht entgegen, Die Befugnis
würde dem Überlebenden nicht genommen und die Bekanntgabe setze auch für die weiteren Beteiligten keine Fristen hinsichtlich etwa der Ausschlagung oder Anfechtung der testamentarischen
Verfügungen des Überlebenden für den Erbfall nach dem Längstlebenden in Lauf.
Anmerkung: Soll das Testament im Fälle des Todes des Erstversterbenden nicht in Gänze eröffnet werden, müssen die Eheleute (Lebenspartner) mithin
deutlich in den jeweiligen Verfügungen zum Ausdruck bringen, ob es sich nur um eine Verfügung von einem von ihnen oder eine gemeinschaftliche Verfügung handelt. Die Wir-Form streitet stets,
unabhängig vom Inhalt, für eine gemeinschaftlich getroffene Verfügung. Soll sie nur für einen von ihnen getroffen werden, muss dies ausgeführt werden (z.B.: „Ich, XY ….“).
Aus den Gründen:
Tenor
1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Betzdorf vom 10.01.2024 wird zurückgewiesen.
2. Der Beteiligte zu 1) hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die am 13.12.2013 verstorbene Erblasserin war verheiratet gewesen mit dem Beteiligten zu 1).
Die Eheleute haben unter dem 23.10.2019 vor der Notarin … in … ein gemeinschaftliches Testament (UR-Nr.: … R) errichtet, das sie anschließend in amtliche Verwahrung gegeben haben.
Nach dem Tod der Erblasserin hat der Beteiligte zu 1) den Hinterlegungsschein für das Testament sowie eine Sterbeurkunde betreffend die Erblasserin beim Nachlassgericht eingereicht und in dem
Begleitschreiben beantragt, das Testament nur teilweise, nämlich ohne die Ziffer 3. zu eröffnen und bekannt zu geben. Für den Fall, dass das Nachlassgericht dies anders handhaben wolle, hat er um
eine beschwerdefähige Entscheidung gebeten.
Das Nachlassgericht hat daraufhin mit dem angefochtenen Beschluss vom 10.01.2024 angekündigt, dass es beabsichtige, das notarielle gemeinschaftliche Testament der Eheleute … sowohl vollständig zu
eröffnen als auch vollständig den Beteiligten bekannt zu geben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass § 349 Abs. 1 FamFG zwar besage, dass bei gemeinschaftlichen Testamenten trennbare
Verfügungen des Überlebenden nicht bekannt zu geben seien, es sich jedoch im vorliegenden Fall bei der Verfügung Ziffer 3. um eine gemeinschaftliche Verfügung handele, die nicht trennbar sei.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Beteiligte zu 1) mit seiner Beschwerde, mit der er weiterhin erstrebt, dass das gemeinschaftliche Testament nach dem Tod seiner Ehefrau nur ohne den Inhalt
der Ziffer 3. vom Nachlassgericht eröffnet und den weiteren Beteiligten dann bekannt gemacht wird. Ob eine gesonderte Verfügung vorliege, sei nicht nur nach sprachlichen Gesichtspunkten zu
beurteilen, sondern auch nach inhaltlichen. Entfalteten Verfügungen ihre Rechtswirkungen erst nach dem zweiten Erbfall, seien sie auch nicht relevant und damit nicht zu eröffnen. Dies gelte hier
umso mehr als der überlebende Ehegatte nach dem gemeinschaftlichen Testament befugt sei, diese Verfügungen noch zu ändern. Zudem habe der überlebende Ehegatte ein schutzwürdiges Interesse daran,
dass die erst nach seinem Tod wirksam werdenden Verfügungen nicht vorher bekannt gegeben würden.
Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt.
II.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist statthaft und zulässig. Zwar handelt es sich bei dem Beschluss des Nachlassgerichts vom 10.01.2024 formal nur um eine Zwischenentscheidung, weil mit ihr
nur angekündigt wird, dass das gemeinschaftliche Testament vollständig eröffnet und bekannt gemacht werden soll; jedoch ist die Entscheidung wegen der Schwere der aus ihr möglicherweise folgenden
Rechtsverletzung wie eine Endentscheidung zu behandeln, so dass die Beschwerde nach § 58 FamFG eröffnet ist (vgl. OLG München, Beschluss vom 07.04.2021, Az.: 31 Wx 108/21, ZEV 2021, 575; OLG
Schleswig. Beschluss vom 23.11.2012, NJW-RR 2013, 583; Gierl in Burandt/Rojahn, Erbrecht, 4. Auflage, § 349 FamFG Rdnr. 3, je m.w.N.).
Die Beschwerde ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden und der Beteiligte zu 1) als weiterer (Mit-)Testator beschwerdebefugt.
In der Sache führt die Beschwerde indes nicht zum Erfolg. Vielmehr hat das Nachlassgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend entschieden, dass das gemeinschaftliche Testament der Eheleute
… bereits jetzt, nach dem Tod der Erblasserin, vollständig zu eröffnen und den weiteren Beteiligten gegenüber vollständig bekannt zu geben ist.
Gemäß § 248 Abs. 1 FamFG (Anmerkung: korrekt § 348 Abs. 1 FamFG) hat das Nachlassgericht ein in seiner Verwahrung befindliches Testament zu eröffnen, sobald es vom Tod des
Erblassers Kenntnis erlangt hat. Dabei hat sich die Eröffnung grundsätzlich auf das gesamte Schriftstück zu beziehen. Denn die Wirksamkeit der Verfügung ist in diesem Zusammenhang nicht zu prüfen
und daher auch für die Frage des Umfangs der Eröffnung unerheblich.
Bei der Eröffnung eines gemeinschaftlichen Testaments macht § 349 Abs. 1 FamFG insoweit eine Ausnahme, als im Geheimhaltungsinteresse des überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners
dessen Verfügungen den sonstigen Beteiligten nicht bekannt zu geben sind, soweit sie sich von den Verfügungen des Erstverstorbenen „trennen“ lassen. Dabei unterscheidet sich der in der Vorschrift
des § 349 Abs. 1 FamFG verwandte Begriff „trennen“ nicht von dem in der - zwischenzeitlich aufgehobenen - Vorschrift des § 2273 BGB a.F. verwandten Begriff „sondern“, der vom
Gesetzgeber nur aus redaktionellen Gründe ausgetauscht wurde (vgl. Muscheler in MüKo-FamFG, 3. Auflage 2019, § 349 Rdnr. 2).
Zu Recht ist das Nachlassgericht in dem angefochtenen Beschluss davon ausgegangen, dass die von den Eheleuten unter der Ziffer 3. des gemeinschaftlichen notariellen Testaments getroffenen
Verfügungen nicht trennbar sind. Nach der einheitlichen Rechtsprechung ist eine Trennbarkeit von Verfügungen nicht gegeben, wenn diese sprachlich in Mehrheitsform („Wir-Form“) abgefasst sind oder
von den Ehegatten die Verfügungen mit „der Überlebende von uns“ oder „der Längstlebende von uns“ eingeleitet worden sind (vgl. OLG München, a.a.O., S. 576; OLG Schleswig, a.a.O.; OLG
Zweibrücken, Beschluss vom 25.07.2002, Az.: 3 W 141/02; NJW-RR 2002, 1662; Muscheler, a.a.O.; Rdnr 3; Gierl, a.a.O. Rdnr. 2; Zimmermann in Sternal, FamFG, 21. Auflage, § 349 Rdnr 9, je
m.w.N.). Denn damit hat gerade nicht nur der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner diese Verfügung getroffen, sondern auch der Erstverstorbene. Dass die Verfügung, die der Erstverstorbene für
den Fall, dass er der Längerlebende sein wird, getroffen hat, dadurch unwirksam geworden ist, dass er nun der Erstverstorbene ist, vermag daran nichts zu ändern, da die Frage der Wirksamkeit der
Verfügungen bei der Eröffnung eines Testaments gerade nicht zu prüfen ist (BGH, Beschluss vom 11.04.1984, Az.: IVa ZB 16/83, NJW 1984, 2098, 2099; OLG Schleswig, a.a.O.; OLG Zweibrücken, a.a.O.;
Muscheler, a.a.O., je m.w.N.). Dem stehen weder ein Geheimhaltungsinteresse des Erblassers noch ein solches des überlebenden (Mit-)Testators entgegen (vgl. BGH, a.a.O.; OLG München, a.a.O.;
BVerfG, Beschluss vom 02.02.1994, Az.: 1 BvR 1245/89, NJW 1994, 2535). Die Eheleute hätten es - gerade auch bei notariellen Testamenten - in der Hand gehabt, durch entsprechend anderweitige
sprachliche Formulierungen ihre jeweiligen Verfügungen in trennbarer Weise vorzunehmen (OLG München, a.a.O.; BVerfG, a.a.O.; Zimmermann, a.a.O., Rdnr. 7).
Ebenso wenig steht der Umstand, dass die Eheleute im vorliegenden Fall in ihrem gemeinschaftlichen Testament dem Überlebenden das Recht zur Änderung der unter der Ziffer 3. getroffenen
Verfügungen eingeräumt haben, einer Eröffnung oder Bekanntgabe entgegen. Denn diese Befugnis wird dem Überlebenden dadurch nicht genommen und die Bekanntgabe setzt auch für die weiteren
Beteiligten keine Fristen hinsichtlich etwa der Ausschlagung oder Anfechtung der testamentarischen Verfügungen des Überlebenden für den Erbfall nach dem Längstlebenden in Lauf (vgl. Zimmermann,
a.a.O.).
Da die Beschwerde des Beteiligten zu 1) somit erfolglos bleibt, hat er gemäß § 84 FamFG die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird gemäß der Vorschrift des § 36 Abs. 3 GNotKG auf 5.000,00 € festgesetzt, da es letztlich nur um das Geheimhaltungsinteresse des
Beteiligten zu 1) geht, so dass der Wert des Nachlasses insoweit keine Rolle spielt.