Ehe- und Familienrecht


Umgangsregelung mit Kind: Abänderung der gerichtlich gebilligten Umgangsregelung

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06.02.2024 - 5 WF 166/23 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Das Kind der Verfahrensbeteiligten wohnte bei der Mutter (Antragstellerin). Die Eltern hatten eine Umgangsregelung des Vaters (Antragsgegner) unter Ausschluss von Übernachtungen  bis zum Nachweis eines negativen Drogentests getroffen, die gerichtlich unter Hinweis durch das Gericht auf Folgen bei einer Zuwiderhandlung gebilligt wurde. Das entsprechende Protokoll wurden beiden Elternteilen zugestellt.  

 

Die Antragstellerin (AS) beantragte die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen den Antragsgegner (AG), da der AG an drei Wochenenden hintereinander das Kind nicht zur Übernachtung und in drei Fällen mit einer Abweichung von einer Stunde zurückgebracht habe. Das Amtsgericht (Familiengericht) setzte gegen den AG ein Ordnungsgeld von € 500,00 fest, der dagegen sofortige Beschwerde einlegte. Die Verspätungen seien der AS jeweils mitgeteilt worden und die Übernachtungen seien mit der AS abgestimmt gewesen. Das Familiengericht half der Beschwerde nicht ab; es sah das Ordnungsgeld als mäßig bei sechs Verstößen an. Die sofortige Beschwerde hatte vor dem OLG teilweise Erfolg.  

 

Bei Zuwiderhandlungen gegen einen Vollstreckungstitel zur Regelung des Umgangs könne das Gericht gem. § 87 Abs. 1 S. 1, § 89 Abs. 1 FamFG von Amts wegen ein Ordnungsgeld (und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden könne, Ordnungshaft) oder auch gleich Ordnungshaft anordnen, wenn die Anordnung eines Ordnungsgeldes keinen Erfolg verspreche. Die gerichtlich gebilligte Umgangsregelung sei  vollstreckbar, § 86 Abs. 1 Nr. 2 FamFG; der gebotene Hinweis auf die Möglichkeit der Anordnung von Ordnungsmitteln für den Fall der Zuwiderhandlung sei erteilt worden und die notwendige Zustellung (§ 87 Abs. 2 FamFG) lägen vor. Gegen die Umgangsregelung habe der AG durch die drei Verspätungen verstoßen. Gründe, aus denen sich ergeben würden, dass der AG die Verspätungen nicht zu vertreten habe, seien nicht vorgetragen worden (§ 89 Abs. 4 S. 1 FamFG).

 

Der Darlegung des AG zu der Vereinbarung zu den drei Übernachtungen habe die AS nicht widersprochen. Deshalb käme diesbezüglich die Verhängung eines Ordnungsgeldes nicht in Betracht, auch wenn ein Verstoß gegen die gerichtlich im Kindeswohl gebilligte Umgangsvereinbarung vorläge. Inhaber des Umgangsbestimmungsrechts seien die Eltern, weshalb sie auch Regelungen in gerichtlich gebilligten Vereinbarungen einvernehmlich abändern könnten mit der Folge, dass insoweit deren Vollstreckbarkeit entfalle (OLG Brandenburg, Beschluss vom 05.06.2020 - 13 WF 100/20 -). Zwar seien die Eltern nach § 156 Abs. 2 S. 2 FamFG nicht iSv. § 36 FamFG verfügungsbefugt (BGH, Beschluss vom 10.07.2019 - XII ZB 507/18 -), doch betreffe dies den verfahrensrechtlichen Bereich mit der Folge, dass es den Eltern nicht möglich sei, auch ohne gerichtliche Billigung eine vollstreckbare Regelung mit den Wirkungen des § 1696 BGB zu vereinbaren. Materiellrechtlich jedoch seien sie - soweit nicht Dritte betroffen seien - verfügungsbefugt, soweit ihnen nicht das Umgangsrecht entzogen wurde.

 

Durch die gerichtliche Regelung sei den Eltern das Umgangsrecht nicht (auch nicht konkludent) entzogen worden. Es sei nicht gewollt und auch nicht praktikabel, einmal getroffene gerichtliche Umgangsregelungen bis zur Volljährigkeit des Kindes ständig nach § 1696 Abs. 1 BGB abzuändern.

 

 

Zur Höhe des vom OLG nunmehr festgesetzten Ordnungsgeldes von € 350,00 betreffend der Verspätung würde es sich nach den Ausführungen der AS, denen der AG nicht widersprach, um ein generelles Problem handeln. Deshalb erscheine ein Betrag von € 350,00 (ersatzweise zwei Tage Ordnungshaft) erforderlich aber auch ausreichend, um den AG zu einer verlässlichen Einhaltung der Umgangsregelung anzuhalten.

 

Aus den Gründen:

 

Tenor

 

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Freiburg im Breisgau vom 30.10.2023 teilweise abgeändert und in Ziffer 1 des Tenors wie folgt neu gefasst:

Gegen I. wird ein Ordnungsgeld in Höhe von 350 € festgesetzt.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen.

3. Gerichtskosten im Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten im Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.

4. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 500 € festgesetzt.

 

Gründe

 

I.

 

Der Antragsteller wendet sich gegen die Festsetzung von Ordnungsmitteln in einem Umgangsverfahren.

 

Antragsteller und Antragsgegnerin sind Eltern des Kindes D., geboren 2020, das bei der Mutter lebt. Die Eltern haben am 28.06.2022 eine Umgangsvereinbarung getroffen, nach der der Umgang des Vaters mit dem Kind an jedem Mittwoch von 16.30 bis 19.00 Uhr und in den geraden Kalenderwochen Samstag und Sonntag jeweils von 10 bis 18 Uhr stattfindet. Erst bei Nachweis eines negativen Drogentests durch den Vater sollen Übernachtungen erfolgen. Die Vereinbarung wurde in der Anhörung mit Beschluss gerichtlich gebilligt, die Eltern wurden auf die Folgen einer Zuwiderhandlung hingewiesen. Das Protokoll wurde beiden Eltern zugestellt.

 

Die Mutter beantragte mit Anwaltsschriftsatz vom 08.08.2023 die Festsetzung von Ordnungsmitteln. Sie macht geltend, dass der Vater an drei Wochenenden das Kind nicht zur Übernachtung zurückgebracht habe, obwohl er keinen Drogentest nachgewiesen habe. Außerdem habe er das Kind am 20.11.2022, 18.12.2022 und 02.07.2023 mit Abweichungen von mehr als einer Stunde nicht pünktlich zurückgebracht.

 

Der Vater nahm innerhalb der (auf seinen Antrag verlängerten) Frist nicht Stellung.

 

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 30.10.2023 setzte das Familiengericht ein Ordnungsgeld von insgesamt 500 € fest. Der Beschluss wurde dem Vater am 08.11.2023 zugestellt.

 

Gegen den Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des Vaters mit Anwaltsschriftsatz vom 21.11.2023. Die Verspätungen seien der Mutter jeweils mitgeteilt worden, es habe verschiedene Gründe dafür gegeben. Die Übernachtungen seien mit der Mutter abgestimmt worden, diese habe zugestimmt.

 

Das Familiengericht hat mit Beschluss vom 21.12.2023 der Beschwerde des Vaters nicht abgeholfen. Die Gründe für die Verspätungen seien nicht ausreichend dargelegt. Private Vereinbarungen der Eltern seien bei der Ermessensausübung zu berücksichtigen, das Ordnungsgeld bei sechs Verstößen aber durchaus mäßig.

 

Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme im Beschwerdeverfahren.

 

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

II.

 

Die sofortige Beschwerde des Vaters ist gemäß § 87 Abs. 4 FamFG mit §§ 567 ff. ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist in der Sache aber nur zu einem Teil begründet.

 

1. Zu Recht hat das Familiengericht mit dem angefochtenen Beschluss gegen den Vater Ordnungsmittel festgesetzt.

 

Gemäß §§ 87 Abs. 1 Satz 1, 89 Abs. 1 FamFG kann das Gericht von Amts wegen bei der Zuwiderhandlung gegen einen Vollstreckungstitel zur Regelung des Umgangs gegenüber dem Verpflichteten Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft anordnen. Verspricht die Anordnung eines Ordnungsgeldes keinen Erfolg, kann das Gericht Ordnungshaft anordnen.

 

a) Die zugrunde liegende gerichtlich gebilligte Umgangsregelung ist vollstreckbar (§ 86 Abs. 1 Nr. 2 FamFG), der gemäß § 89 Abs. 2 FamFG gebotene Hinweis auf die Möglichkeit der Anordnung von Ordnungsmitteln für den Fall der Zuwiderhandlung wurde erteilt und die notwendigen Zustellungen (§ 87 Abs. 2 FamFG) liegen vor.

 

b) Der Vater hat durch die Verspätungen schuldhaft gegen diese Umgangsregelung verstoßen.

 

Unstreitig hat sich der Vater nicht an die Umgangsregelung gehalten, sondern das Kind an drei Terminen mit zeitlichen Abweichungen von mehr als einer Stunde zurückgebracht.

 

Zwar hat nach § 89 Abs. 4 S. 1 FamFG die Festsetzung eines Ordnungsmittels zu unterbleiben, wenn der Verpflichtete Gründe vorträgt, aus denen sich ergibt, dass er die Zuwiderhandlung nicht zu vertreten hat. Solche Gründe sind hinsichtlich der Verspätungen aber nicht ersichtlich. Zu Recht hat das Familiengericht im Nichtabhilfebeschluss im Einzelnen ausgeführt, dass der Vortrag des Vaters zu den drei konkreten Terminen nicht passt. Eine weitere Stellungnahme des Vaters ist trotz der Aufforderung durch das Beschwerdegericht, detailliert und gesondert zu jedem einzelnen der Vorfälle vorzutragen, nicht erfolgt.

 

c) Hinsichtlich der Übernachtungen hat die Mutter die vom Vater vorgetragenen jeweiligen Vereinbarungen der Eltern nicht bestritten. Auch wenn insoweit ein Verstoß gegen die gerichtlich im Kindeswohl gebilligte Umgangsvereinbarung vorliegt, kommt bei dieser Sachlage die Festsetzung von Ordnungsmitteln nicht in Betracht. Da die Eltern hier Inhaber des Umgangsbestimmungsrechts sind, können sie auch Regelungen in gerichtlich gebilligten Vereinbarungen einvernehmlich abändern, womit insoweit deren Vollstreckbarkeit entfällt (vgl. OLG Brandenburg vom 05.06.2020 - 13 WF 100/20, juris Rn. 8; OLG Frankfurt vom 01.03.2019 - 4 WF 22/19, juris Rn. 10; OLG Nürnberg vom 21.08.2017 - 7 WF 881/17, juris Rn. 11; nicht überzeugend insoweit OLG Brandenburg vom 23.05.2017 - 9 WF 118/17, juris Rn. 2; Johannsen/Henrich/Althammer/Rake, FamFG, 7. Auflage 2020, § 89 Rn. 7). Zwar ergibt sich aus § 156 Abs. 2 S. 2 FamFG, dass die Eltern nicht über das Umgangsrecht verfügungsbefugt im Sinne des § 36 Abs. 1 S. 1 FamFG sind (BGH vom 10.07.2019 - XII ZB 507/18, juris Rn. 12). Dies betrifft jedoch nur den verfahrensrechtlichen Bereich, so dass es den Eltern nicht möglich ist, ohne gerichtliche Billigung eine vollstreckbare Regelung mit den Wirkungen des § 1696 BGB zu vereinbaren. In materiellrechtlicher Hinsicht sind die Eltern jedoch - jedenfalls soweit nicht Dritte betroffen sind - verfügungsbefugt, soweit ihnen nicht das Umgangsbestimmungsrecht entzogen ist. Letzteres erfolgt nicht, auch nicht konkludent, durch die gerichtliche Regelung des Umgangs. Zu Recht wird darauf verwiesen, dass es weder gewollt noch praktisch realisierbar ist, dass sämtliche gerichtlichen Umgangsregelungen, die einmal getroffen wurden und nunmehr einvernehmlich anders gehandhabt werden sollen, bis zur Volljährigkeit des Kindes permanent nach § 1696 Abs. 1 BGB abgeändert werden müssen (Prütting/Helms/Hammer, FamFG, 6. Auflage 2023, § 89 FamFG, Rn. 17a).

 

2. Bei der Höhe des Ordnungsgeldes ist für die drei Verstöße eine Gesamtabwägung zu treffen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich nach dem unwidersprochenen Vortrag der Mutter und den Erklärungsversuchen des Vaters bei den Verspätungen um ein generelles Problem handelt. Dabei erscheint der nunmehr festgesetzte Betrag von 350 € erforderlich, aber auch ausreichend, um den Vater zu einer verlässlichen Einhaltung der Umgangsregelungen anzuhalten. Ersatzweise sind die auch bereits vom Familiengericht für richtig gehaltenen zwei Tage Ordnungshaft anzuordnen.

 

III.

 

Die Kostenentscheidungen beruhen auf §§ 87 Abs. 5, 81 FamFG. Dabei hat das Familiengericht zu Recht in erster Instanz dem Vater die Kosten auferlegt, da er Anlass zu dem Verfahren gegeben hat, auf die Abweichung von der Anregung der Mutter kommt es nicht entscheidend an. Dagegen ist für die Kosten des Beschwerdeverfahrens der teilweise Erfolg der Beschwerde berücksichtigt.

 

 

Die Festsetzung des Verfahrenswerts folgt aus §§ 40, 42 FamGKG und richtet sich nach der erfolgten Festsetzung (vgl. dazu Musielak/Borth/Frank/Frank, FamFG, 7. Auflage 2022, § 42 FamGKG Rn. 5 m.w.N.).