Versorgungsausgleich: Zulässiger Verzicht auf Anrecht auf
Ruhestandsgeld
BGH, Beschluss vom 30.03.2022 -
XII ZB 421/21 -
Kurze Inhaltsangabe:
Im Rahmen der Scheidung der Parteien (Antrag vom 08.08.2013) musste das Familiengericht auch über den Versorgungsausgleich entscheiden. Es hat dabei ein Anrecht des Antragstellers, welches dieser
als Vorstand einer Sparkasse erlangt hatte, nicht berücksichtigt, da dieser mit einem Änderungsvertrag vom 12.09.2012 auf diese Altersversorgung verzichtete. Die dagegen eingelegte Beschwerde
wies das Oberlandesgericht zurück. Hiergegen wandte sich die Antragstellerin mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde die vom BGH zurückgewiesen wurde.
Im ursprünglichen Dienstvertrag des Antragsgegners vom 07.03.2007 waren Anrechte in Form einer Ruhegeldreglung (auch auf den Invaliditätsfall) und Abfindungszusage enthalten gewesen. enthalten
gewesen. Beide Anrechte waren aber, nach der vom BGH bestätigten Auffassung des Oberlandesgerichts, nicht ausgleichsreif, da sie zum Zeitpunkt des Ehezeitendes nicht ausreichend verfestigt
gewesen wären. Der Ruhegehaltanspruch habe erst ab dem Eintritt in den Vorstand am dem 01.10.207 bestanden, weshalb eine Unverfallbarkeit erst nach fünf Jahren (§ 1b BetrAVG a.F.) am
30.09.2012 hätte eintreten können, der Antragsteller aber darauf (zulässig nach § 3 BetrAVG) vorher auf das Anrecht verzichtet habe. Der Invaliditätsfall sei nicht eingetreten gewesen, und zudem
auch untergegangen, nachdem das Dienstverhältnis mit Auflösungsvertrag vom 24.03.2015 zum 30.04.2015 beendet worden sei.
Soweit von der Antragstellerin in der Rechtsbeschwerde geltend gemacht worden sei, das Oberlandesgericht habe die Vereinbarung vom 13.09.2012 fehlerhaft dahingehend ausgelegt, dass die
Ruhegeldzusage im Rahmen der Vereinbarungen über die Weiterbeschäftigung über den 30.09.2012 hinaus abbedungen worden sei, folgte dem der BGH nicht. Die Auslegung der Individualvereinbarung nach
§§ 133, 157 BGB sei Sache des Tatrichters. Sie sei für das Revisionsgericht bindend, wenn sie rechtsfehlerfrei vorgenommen wurde und zu vertretbaren Ergebnissen führe, auch wenn ein anders
Auslegungsergebnis möglich erscheine. Rechtsfehler bei der Auslegung seien hier nicht ersichtlich. Zutreffend sei auf das gemeinsame Motiv der Vertragsparteien für die Abbedingung angestellt
worden. Ohne den Verzicht wäre eine Weiterbeschäftigung des Antragsgegners über den 30.09.2012 hinaus in Ansehung einer zum 01.01.2013 vorgesehenen Fusion mit einer anderen Sparkasse nicht
möglich gewesen. Von der Antragstellerin geäußerten Zweifeln an der wirtschaftlichen Plausibilität dieses Vorgehens habe das Berufungsgericht nicht zu weiterer Sachverhaltsaufklärung nach § 26
FamFG veranlassen müssen, da zum Einen diese Auslegung sich aus der Vereinbarung vom 13.09.2012 entnehmen ließe, zum Anderen auch in der Jahresbilanz der Sparkasse zum 31.12.2012 die noch in der
Bilanz zum 31.12.2011 enthaltene Rückstellung nicht mehr enthalten war.
Da die Antragstellerin ihren Verdacht, die ursprüngliche Ruhegeldzusage sei nur ausgelagert oder abgefunden worden, nicht näher darlegte, der Antragsgegner in seiner Anhörung auch Anrechte
ausdrücklich (wie auch in der Versorgungsauskunft) verneinte, habe keine Veranlassung bestanden, weitere Jahresabschlüsse, Prüfungsberichte und Gehaltsabrechnungen und Steuerbescheide des
Antragsgegners beizuziehen. Zudem würde es sich bei einer Abfindung für den Ruhegeldanspruch nach § 2 VersAusglG nicht um ein ausgleichsfähiges Recht handeln.
Auch die in der Vereinbarung vom 07.03.2007 enthaltene Abfindung sei nicht auszugleichen. Ausgleichsfähig seien nach § 2 VersAusglG nur Anrechte, die der Absicherung im Alter oder bei Invalidität
dienen würden, demgegenüber Ansprüche oder Aussichten auf Leistungen mit anderweitiger Zweckbestimmung (wie Abfindungen und Überbrückungszahlungen) nicht auszugleichen seien. Da sich die
Abfindungszusage auf die Beendigung des Dienstverhältnisses bezog und nach dessen Ablauf der (befristeten) Vertragslaufzeit gezahlt werden sollte, handelte es sich nach der Zielsetzung nicht um
ein spezifisch der Alters- oder Invaliditätsabsicherung dienendes Anrecht.
Aus den Gründen:
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 12. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 25. August 2021 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
Wert: 4.400 €
Gründe
I.
Auf den am 8. August 2013 zugestellten Antrag hat das Familiengericht die am 12. Oktober 2001 geschlossene Ehe der Antragstellerin (im Folgenden: Ehefrau) und des Antragsgegners (im Folgenden:
Ehemann) geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Während der Ehezeit (1. Oktober 2001 bis 31. Juli 2013; § 3 Abs. 1 VersAusglG) haben beide Ehegatten Anrechte in der
gesetzlichen Rentenversicherung und in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes erworben, darüber hinaus der Ehemann drei betriebliche Anrechte und ein Anrecht in der privaten
Altersversorgung. Das Familiengericht hat die vorgenannten Anrechte intern geteilt. Ein weiteres Anrecht, das der Ehemann als Vorstand einer Sparkasse erlangt hatte, hat das Familiengericht nicht
ausgeglichen, nachdem der Ehemann durch einen Änderungsvertrag vom 13. September 2012 auf diese Altersversorgung verzichtet hat.
Gegen diese Entscheidung hat die Ehefrau Beschwerde eingelegt, mit der sie den Ausgleich auch des als Sparkassenvorstand erworbenen Anrechts verfolgt hat. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde
zurückgewiesen; hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Ehefrau.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil das Oberlandesgericht sie zugelassen hat (§ 70 Abs. 1 FamFG). Der Senat ist an die Zulassung gebunden, auch wenn der angefochtene Beschluss
keine Zulassungsgründe aufzeigt und keine Rechtsbehelfsbelehrung enthält.
Die auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist jedoch nicht begründet.
1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass ausgleichsfähige Anrechte aus der ehezeitlichen Vorstandstätigkeit bei der Sparkasse nicht bestünden. Zwar seien
solche Anrechte ursprünglich mit Dienstvertrag vom 7. März 2007 in Form einer Ruhegeldregelung und einer - auch auf den Invaliditätsfall bezogenen - Abfindungszusage begründet worden. Beiden
Anrechten, die unter das Betriebsrentengesetz fielen, fehle jedoch die Ausgleichsreife, da sie zum Ehezeitende nicht hinreichend verfestigt gewesen seien. Die Ruhegeldzusage habe nach der
Vereinbarung vom 7. März 2007 erst mit Eintritt in den Vorstand ab dem 1. Oktober 2007 bestanden, so dass Unverfallbarkeit erst nach Ablauf einer Fünfjahresfrist gemäß § 1 b BetrAVG a.F. am
30. September 2012 hätte eintreten können. Noch vor dem Eintritt der Unverfallbarkeit, nämlich am 13. September 2012, habe der Ehemann jedoch auf das Anrecht verzichtet, was auch im Hinblick auf
die Regelungen des § 3 BetrAVG wirksam sei. Unverfallbarkeit sei auch in Bezug auf die Invaliditätsabsicherung nicht eingetreten, weil der Versicherungsfall nicht eingetreten sei. Selbst
wenn Unverfallbarkeit eingetreten wäre, wären die Anrechte jedenfalls dadurch untergegangen, dass das Dienstverhältnis mit Auflösungsvertrag vom 24. März 2015 zum 30. April 2015 beendet worden
sei.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, das Oberlandesgericht habe die Vereinbarung vom 13. September 2012 zu Unrecht dahin ausgelegt, dass die Ruhegeldzusage im Rahmen der
Vereinbarungen über die Weiterbeschäftigung über den 30. September 2012 hinaus abbedungen worden sei.
Die Auslegung einer Individualvereinbarung gemäß §§ 133, 157 BGB ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Dessen Auslegung ist für das Revisionsgericht bindend, wenn sie rechtsfehlerfrei
vorgenommen worden ist und zu einem vertretbaren Auslegungsergebnis führt, selbst wenn ein anderes Auslegungsergebnis möglich erscheint. Sie kann deshalb vom Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich
nur darauf überprüft werden, ob der Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt worden ist, ob gesetzliche Auslegungsregeln oder allgemein anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze
oder die Denkgesetze verletzt sind oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht (st. Rspr., vgl. etwa Senatsurteil vom 8. April 2020 - XII ZR 120/18 - NJW-RR 2020, 656 Rn. 16 mwN).
Rechtsfehler der vorgenannten Art sind nicht erkennbar. Das Oberlandesgericht hat das gemeinsame Motiv der Vertragsparteien für die Abbedingung des Ruhegeldanspruchs darin gesehen, dass
andernfalls eine Weiterbeschäftigung des Ehemanns über den 30. September 2012 hinaus in Anbetracht der zum 1. Januar 2013 vorgesehenen Fusion mit einer anderen Sparkasse nicht möglich gewesen
wäre. Die von der Rechtsbeschwerde vorgebrachten Zweifel an der wirtschaftlichen Plausibilität dieses Vorgehens mussten das Oberlandesgericht schon deshalb nicht zu weiterer
Sachverhaltsaufklärung gemäß § 26 FamFG veranlassen, weil die Aufhebung des Ruhegeldanspruchs nicht nur der Auslegung der Vereinbarung vom 13. September 2012 entnommen werden kann, sondern
diese auch bilanziell umgesetzt wurde, indem die in der Jahresbilanz der Sparkasse zum 31. Dezember 2011 noch enthaltene Rückstellung für den Ruhegeldanspruch des Ehemanns in dem nachfolgenden
Jahresabschluss nicht mehr bilanziert war.
Hinsichtlich des von der Ehefrau geäußerten Verdachts, die ursprüngliche Ruhegeldzusage sei lediglich „ausgelagert“ oder abgefunden worden, zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf, wie diesem, vom
Oberlandesgericht als „ins Blaue hinein“ bewerteten Vortrag, sachdienlich hätte nachgegangen werden können und müssen. Nachdem die Ehegatten hierzu persönlich angehört worden und in der
Versorgungsauskunft der Sparkasse bestehende Anrechte ausdrücklich verneint worden sind, bestehen keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte für ein noch existierendes Versorgungsanrecht bei
dieser. Hiernach gehört die von der Rechtsbeschwerde angeregte Vorlage weiterer Jahresabschlüsse der Sparkasse und diesbezüglicher Prüfungsberichte sowie Gehaltsabrechnungen und Steuerbescheide
des Ehemanns nicht zu den erforderlichen Ermittlungen, die das Gericht zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen durchzuführen hat, zumal eine mögliche Abfindung des
Ruhegeldanspruchs, die die Ehefrau in Betracht zieht, kein nach § 2 VersAusglG ausgleichsfähiges Recht begründet hätte.
b) Ebenfalls im Ergebnis zu Recht hat das Oberlandesgericht von einem Ausgleich der im Vertrag vom 7. März 2007 enthaltenen Abfindungszusage abgesehen. Auszugleichen sind nach § 2
Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG nur Anrechte, die der Absicherung im Alter oder bei Invalidität dienen, während Ansprüche oder Aussichten auf Leistungen mit anderer Zweckbestimmung, namentlich
Abfindungen oder Überbrückungszahlungen, hierzu nicht gehören (vgl. Senatsbeschluss vom 25. Juni 2014 - XII ZB 658/10 - FamRZ 2014, 1529 Rn. 14 mwN).
Im vorliegenden Fall war die Abfindungszusage an die Beendigung des Anstellungsverhältnisses geknüpft und sollte unter anderem nach Ablauf der - befristeten - Vertragslaufzeit gewährt werden. Mit
dieser Zielsetzung handelt es sich um kein spezifisch der Alters- oder Invaliditätsabsicherung dienendes Anrecht.
c) Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).