Patientenanschrift: Wann hat ein Mitpatient Anspruch auf Mitteilung gegenüber dem Klinikträger ?
BGH, Urteil vom 09.07.2015 - III ZR 329/14 -
Kurze Inhaltsangabe:
Wieweit geht Datenschutz ? Damit musste sich der BGH in seinem Urteil vom 09.07.2015 auseinandersetzen. Hintergrund war das Verlangen eines Patienten an die von ihm verklagte Klinikleitung , ihm
die Anschrift eines Mitpatienten zu offenbaren. Zur Begründung behauptete er eine Körperverletzung durch diesen Mitpatienten. Die Klinikleitung verweigerte die Offenlegung der Anschrift und
berief sich dafür auf §§ 203 StGB, 32, 35 LKHG M-V.
Der Klage wurde stattgegeben. Weder datenschutzrechtliche Vorschriften noch des Strafnorm des § 203 StGB würden dem Auskunftsbegehren entgegenstehen. Zwar sei der Träger der Klinik zum Schutz der
Patientendaten verpflichtet. Doch würde dies nicht gelten, wenn die Weitergabe zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leben, körperliche Unversehrtheit, persönliche Freiheit des Patienten oder
eines Dritten erforderlich ist und diese Rechtsgüter das Geheimhaltungsinteresse des Patienten überwiegen, § 35 Abs. 1 Nr. 3 LKHG M-V. Der BGH sieht darin auch die Möglichkeit des Klägers
gewahrt, von dem Mitpatienten Schadensersatz zu begehren; die sprachliche Anpassung an § 34 StGB gebiete die Abwägung der widerstreitenden Interessen. Der Begriff der persönlichen Freiheit sei
weit auszulegen. Bei dieser gebotenen Interessensabwägung überwiege das Schadensersatz gegenüber dem Mitpatienten begehrende Interesse des Klägers , auch wenn nicht feststünde, ob der Mitpatient
die vom Kläger behauptete Körperverletzung begangen hat. Ohne Bekanntgabe der Anschrift könne der Kläger von Vornherein nicht einmal den angeblich Verantwortlichen haftbar machen. Die besonders
sensiblen (und nach §§ 32ff LKHG M-V geschützten Daten (wie Krankheitsverlauf, Vorerkrankungen, Dauerschäden pp wären nicht betroffen; der Datenschutz diene nicht dazu, die Anonymität des
Krankenhauses für schädigende Handlungen zu nutzen und damit faktisch den Geschädigten rechtlos zu stellen.
Nach dieser Entscheidung des BGH sind die Anschrift (und wohl auch Name) eines Patienten einem Mitpatienten herauszugeben, wenn dieser eine Schädigung durch den Mitpatienten behauptet.
Aus den Gründen:
Tatbestand
Der minderjährige Kläger verlangt Auskunft über die Anschrift des M. M. , mit dem er sich im November 2012 in der von der Beklagten
betriebenen Fachklinik für Kinder und Jugendliche, die vor allem auf die Behandlung von Übergewicht, Stoffwechselerkrankungen, psychischen und physischen Erkrankungen sowie
Atemwegserkrankungen ausgerichtet ist, ein Zimmer teilte. Am 2. November 2012 zog sich der Kläger in der Klinik einen Armbruch zu. Dieser war nach der Behauptung des Klägers auf eine
körperliche Misshandlung durch diesen Mitpatienten zurückzuführen. Um seinen Schadensersatzanspruch gegen M. M. durchsetzen zu können,
sei er auf die Mitteilung der Anschrift durch die Beklagte angewiesen; sämtliche sonstigen Anstrengungen zur Ermittlung der Adresse seien fehlgeschlagen.
Die Beklagte hat die begehrte Auskunft verweigert. Sie befürchtet im Falle der Bekanntgabe der Adresse strafrechtliche Konsequenzen, weil es sich dabei um personenbezogene Daten
handele, die der ärztlichen Schweigepflicht unterfielen und deren Offenlegung zudem datenschutzrechtliche Bestimmungen entgegenstünden.
Die auf Erteilung der begehrten Auskunft gerichtete Klage hatte in beiden Vorinstanzen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren
Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Nennung der Adresse des minderjährigen Mitpatienten aus dem zwischen den Parteien geschlossenen
Behandlungsvertrag zu. Die Beklagte habe dem Kläger gegenüber eine besondere Fürsorge- und Obhutspflicht innegehabt. Im Rahmen ihrer vertraglichen Nebenpflicht sei die Beklagte
gehalten gewesen, den Kläger bei der Aufklärung des Vorfalls und bei der Geltendmachung etwaiger Schadensersatzansprüche nach ihren Möglichkeiten zu unterstützen. Hierzu gehöre
grundsätzlich auch die Nennung der Adresse des vermeintlichen Schädigers, die der Beklagten ohne großen Aufwand möglich sei. Eine Strafbarkeit nach § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB habe sie
nicht zu befürchten, weil die Auskunftserteilung nach § 34 StGB gerechtfertigt sei.
II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen ihre erstinstanzliche Verurteilung zur
Auskunftserteilung über die Anschrift des früheren Mitpatienten des Klägers mit Recht zurückgewiesen.
1. Der Klage fehlt entgegen der Auffassung der Revision nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
a) Der Kläger will die Anschrift seines Mitpatienten in Erfahrung bringen, um seine gegen diesen bestehenden Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche durchzusetzen. Das Ziel, den
ihm namentlich bekannten, angeblichen Schädiger weiter zu individualisieren, kann der Kläger, der nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts
alle sonstigen in Betracht kommenden Informationsmöglichkeiten vollständig ausgeschöpft hat, nicht auf andere Weise einfacher oder günstiger erreichen (vgl. BGH, Urteile vom 24.
Februar 1994 - IX ZR 120/93, WM 1994, 623, 624 und vom 28. März 1996 - IX ZR 77/95, WM 1996, 835, 836).
Dem Kläger kann auch nicht entgegengehalten werden, dass im Falle einer Klage die Zustellung der Klageschrift an die oder den gesetzlichen Vertreter seines minderjährigen Mitpatienten
zu erfolgen hat. Dieser Umstand lässt das Interesse des Klägers an der begehrten Auskunftserteilung nicht entfallen. Minderjährige Kinder leben üblicherweise bei ihren Eltern oder bei
einem sorgeberechtigten Elternteil. Dafür, dass dies vorliegend anders sein könnte, fehlt jeglicher Anhalt. Auch die Beklagte hat dies in den Vorinstanzen ersichtlich nicht anders
gesehen; die Überlegung, dass eine Unterbringung des Mitpatienten außerhalb des Wohnsitzes seiner Erziehungsberechtigten nicht ausgeschlossen sei, hat sie erstmals in der
Revisionsbegründung angestellt. Im Übrigen steht, wenn der Kläger die begehrte Auskunft erhalten hat, zu erwarten, dass er sich nötigenfalls weitere Informationen über Namen und
Anschrift der gesetzlichen Vertreter seines Mitpatienten ohne größeren Aufwand (etwa über eine Melderegisterauskunft) beschaffen kann.
b) Das Rechtsschutzbedürfnis kann auch nicht wegen etwa mangelnden Vortrags des Klägers zu den in § 828 BGB enthaltenen Altersgrenzen oder zur Zurechnungsfähigkeit des Mitpatienten
verneint werden. Zwar kann das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, wenn der Kläger mit seinem prozessualen Begehren unter keinen Umständen einen schutzwürdigen Vorteil erlangen kann (vgl.
BGH, Urteil vom 28. März 1996 aaO S. 837). Eine solche Konstellation liegt hier jedoch ersichtlich nicht vor (siehe nachfolgend unter 2 a, bb).
2. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass jedenfalls nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Auskunftspflicht der Beklagten anzunehmen ist. Diese
besteht bei jedem Rechtsverhältnis, dessen Wesen es mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang seines Rechts im Unklaren ist, er sich die
zur Vorbereitung oder Durchsetzung seines Anspruchs notwendigen Auskünfte nicht in zumutbarer Weise selbst beschaffen kann und der Verpflichtete unschwer, das heißt ohne unbillig
belastet zu sein, die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderlichen Auskünfte zu geben vermag (siehe nur BGH, Urteile vom 1. Juli 2014 - VI ZR 345/13, BGHZ 201, 380, 382 Rn. 6
und vom 20. Januar 2015 - VI ZR 137/14, NJW 2015, 1525 Rn. 7, jeweils mwN). Unter diesen Voraussetzungen ist ein Anspruch auf Auskunftserteilung auch dann gegeben, wenn nicht der in
Anspruch Genommene selbst, sondern ein Dritter Schuldner des Hauptanspruchs ist, dessen Durchsetzung der Hilfsanspruch auf Auskunftserteilung ermöglichen soll (BGH, Urteile vom 1.
Juli 2014 aaO Rn. 7 und vom 20. Januar 2015 aaO Rn. 8 jeweils mwN). So liegt der Fall hier.
a) Zwischen den Parteien besteht aufgrund des Behandlungsvertrags eine rechtliche Sonderbeziehung. Der Kläger war Patient der Beklagten, er wurde in ihrer Klinik stationär behandelt.
Im Rahmen dieses vertraglichen Verhältnisses schuldete die Beklagte ärztliche Leistungen sowie die Unterbringung und Verpflegung; daneben hatte sie, gerade auch im Hinblick auf die
Minderjährigkeit des Klägers, eine besondere Fürsorge- und Obhutspflicht. Dies stellt auch die Revision nicht in Frage. Dieses Rechtsverhältnis ist in Verbindung mit § 242 BGB
hinreichende Grundlage eines Auskunftsanspruchs des Klägers, dem ein anerkennenswertes Interesse an der begehrten Information zuzubilligen ist.
aa) Vergeblich wendet die Revision hiergegen ein, es stehe nicht einmal fest, dass der Mitpatient den Armbruch verursacht habe.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger sich während seines Klinikaufenthaltes den rechten Arm gebrochen hat. Darüber hinaus hatte er der Beklagten vor diesem Ereignis
mitgeteilt, er komme mit dem Mitpatienten M. M. "nicht klar". Unmittelbar nach dem Vorfall hat er der Beklagten hiervon Meldung gemacht. Vor diesem
Hintergrund ist der - plausible und nachvollziehbare - Vortrag des Klägers, sein Mitpatient habe mindestens mit bedingtem Vorsatz seinen Arm dadurch gebrochen, dass er mit aller Kraft
zweimal eine Tür gegen ihn geschlagen habe, für den geltend gemachten Auskunftsanspruch ausreichend. Ob in dem beabsichtigten Schadensersatzprozess ein entsprechender Tathergang
festgestellt werden kann, hängt ganz wesentlich von dem Prozessverhalten der künftigen Parteien, insbesondere auch des (angeblichen) Schädigers ab, über das gegenwärtig nur
Mutmaßungen angestellt werden können. Angesichts dessen bedurfte es keines weitergehenden Vortrags und keiner weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts zu den Behauptungen des
Klägers. Insbesondere musste sich das Berufungsgericht in diesem nur auf Erlangung einer Auskunft gerichteten Rechtsstreit keine Überzeugung von der Täterschaft des Mitpatienten
bilden.
bb) Zu Unrecht macht die Revision weiter geltend, der Kläger habe zu den Voraussetzungen des § 828 BGB sowie zur Frage der Zurechnungsfähigkeit des Mitpatienten nicht ausreichend
vorgetragen. Zwar fehlen Feststellungen der Vorinstanzen zum Alter des Mitpatienten des Klägers. Jedoch kann nach dem Akteninhalt ausgeschlossen werden, dass dieser zum fraglichen
Zeitpunkt das siebente Lebensjahr nicht vollendet hatte. Im Übrigen ist festzuhalten, dass im Haftungsprozess die fehlende Deliktsfähigkeit vom Schädiger zu beweisen ist (vgl. BGH,
Urteil vom 30. Juni 2009 - VI ZR 310/08, BGHZ 181, 368, 371 Rn. 10). Zudem trifft den minderjährigen Schädiger die Beweislast für fehlende Zurechnungsfähigkeit, die Einsichtsfähigkeit
(vgl. § 828 Abs. 3 BGB) wird widerleglich vermutet (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2005 - VI ZR 181/04, NJW-RR 2005, 1263 mwN). Da der Kläger im Rahmen der vorliegenden Auskunftsklage
keinesfalls strengeren Anforderungen hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast unterliegt als in einem nachfolgenden Haftungsprozess, musste er sich zu beiden Gesichtspunkten nicht
verhalten, nachdem die Beklagte hierzu nichts vorgetragen hatte.
b) Die Beklagte wird mit Erteilung der Auskunft auch nicht unbillig belastet, die Mitteilung der fraglichen Adresse ist ihr zumutbar.
aa) Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Kläger die ihm zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten ausgeschöpft hat und es ihm gleichwohl nicht möglich war, die
Anschrift des Mitpatienten zu ermitteln. Diese Adresse ist für die Beklagte dagegen unproblematisch anhand der im Zusammenhang mit dem Abschluss des Behandlungsvertrags mit dem
Mitpatienten erfassten Daten festzustellen. Der mit der Auskunftserteilung verbundene Arbeitsaufwand ist im Streitfall in Relation zu dem Auskunftsinteresse des Klägers deshalb zu
vernachlässigen.
bb) Im Rahmen der für die Frage der Zumutbarkeit vorzunehmenden Abwägung aller Umstände des Einzelfalls ist zwar auch einzubeziehen, ob der Auskunftspflichtige ein schützenswertes
Geheimhaltungsinteresse an den Angaben geltend machen kann (vgl. BGH, Urteile vom 13. Dezember 2001 - I ZR 44/99, NJW 2002, 2475, 2476 und vom 6. Februar 2007 – X ZR 117/04, NJW 2007,
1806, 1808 Rn. 18). Ein derartiges berechtigtes Interesse der Beklagten an der Verweigerung der Bekanntgabe der Adresse des Mitpatienten ist vorliegend nicht anzuerkennen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten entfällt die Zumutbarkeit der Auskunftserteilung insbesondere nicht deswegen, weil einer Erteilung der begehrten Auskunft zwingende
datenschutzrechtliche Bestimmungen sowie die Strafvorschrift des § 203 StGB (Verletzung von Privatgeheimnissen) entgegenstünden.
(1) Nach § 32 Abs. 1 des Krankenhausgesetzes für das Land Mecklenburg-Vorpommern (LKHG M-V) vom 20. Mai 2011 (GVOBl. M-V S. 327) unterliegen im Krankenhaus erhobene Patientendaten
unabhängig von der Art ihrer Verarbeitung dem Datenschutz. Zu den geschützten Daten zählen insbesondere die Angaben zur Person, zum Beispiel die Anschrift des Patienten (vgl. die
Gesetzesbegründung zur Vorgängerregelung des § 14 LKHG aF LT-Drucks. 1/2195 S. 41).
Die Übermittlung von Patientendaten (auch) an private Dritte ist allerdings nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 LKHG M-V zulässig, soweit dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für das Leben,
die körperliche Unversehrtheit oder die persönliche Freiheit des Patienten oder eines Dritten erforderlich ist, und wenn diese Rechtsgüter das Geheimhaltungsinteresse des Patienten
wesentlich überwiegen.
(a) Das Recht des Klägers, einen Schadensersatzanspruch notfalls auch unter Inanspruchnahme der Zivilgerichte gegen seinen Mitpatienten geltend machen zu können, wird von § 35 Abs. 1
Nr. 3 LKHG M-V erfasst. Diese Regelung, die sprachlich bewusst an § 34 StGB angelehnt ist, hebt die Notwendigkeit einer Abwägung der widerstreitenden Interessen und der betroffenen
Rechtsgüter hervor (siehe LT-Drucks. 1/2195 S. 43 zu § 17 LKHG aF). § 34 StGB beschränkt seinen Anwendungsbereich aber nicht auf einige wenige notstandsfähige Rechtsgüter, sondern
erstreckt sie auf jedes rechtlich geschützte Interesse, gleichgültig, von welchem Teil der Rechtsordnung es diesen Schutz erfährt. Die Hervorhebung einzelner Rechtsgüter hat nur
exemplarischen Charakter (vgl. nur Neumann in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 4. Aufl., § 34 Rn. 22). Der Begriff der persönlichen Freiheit im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 3 LKHG M-V
ist daher weit auszulegen. Das Geheimhaltungsinteresse der Patienten wird durch ein solches Verständnis nicht beeinträchtigt. Die vom Landesgesetzgeber vorgesehene und hervorgehobene
Notwendigkeit der Güterabwägung sichert einen ausreichenden Interessenausgleich. Der grundgesetzlich garantierte Justizgewährungsanspruch würde dagegen durch die bereichsspezifischen
Regelungen im Landeskrankenhausgesetz von Mecklenburg-Vorpommern unverhältnismäßig verkürzt, wenn ein in einem Krankenhaus von einem Mitpatienten Geschädigter von vornherein und ohne
Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen keine Möglichkeit hätte, Angaben zu der Identität des Schädigers zu erhalten.
(b) Im Rahmen der gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 3 LKHG M-V vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt hier das Interesse des Klägers. Auch wenn nicht feststeht, ob sein Mitpatient die vom
Kläger behauptete Körperverletzung begangen hat, so würde dem Kläger ohne Herausgabe der Anschrift von vorneherein jede Möglichkeit genommen, den nach seiner Behauptung
Verantwortlichen in Anspruch zu nehmen. Demgegenüber dienen die Datenschutzbestimmungen der §§ 32 ff LKHG M-V vor allem dazu, die besonders sensiblen Gesundheitsdaten eines Patienten
(Krankheitsverlauf, Vorerkrankungen, Dauerschäden etc.) zu schützen. Darum geht es hier nicht. Dem Kläger ist der Name des Patienten ebenso bekannt wie der Umstand, dass dieser sich
im fraglichen Zeitraum zur stationären ärztlichen Behandlung in dem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus befand. Einzelheiten der ärztlichen Diagnose oder der Therapie
interessieren ihn nicht. Er möchte lediglich die Adresse zur Verfolgung eigener deliktischer Ansprüche erfahren. Die Datenschutzregelungen haben aber nicht den Zweck, Patienten, die
im Rahmen eines Krankenhausaufenthalts Mitpatienten schädigen, die vollständige Anonymität zu sichern und so den Geschädigten durch Verweigerung der Auskunft faktisch rechtlos zu
stellen. Vielmehr ist es bei einer Fallkonstellation wie der vorliegenden, bei der eine vorsätzliche Körperverletzung im Raume steht, regelmäßig angemessen und geboten, das
Auskunftsinteresse des Geschädigten dem Datenschutzinteresse des Schädigers vorgehen zu lassen.
(2) Liegen die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 3 LKHG M-V vor, so ergeben sich auch unter dem Aspekt der ärztlichen Schweigepflicht keine Hinderungsgründe gegen eine Herausgabe
der betreffenden Daten (vgl. Hauser/Haag, Datenschutz im Krankenhaus, 4. Aufl., S. 13 f). Demnach scheidet, wenn die Erteilung einer Auskunft nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 LKHG M-V erlaubt
ist, eine Strafbarkeit der Auskunft gebenden Person nach § 203 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 StGB von vorneherein aus, da die Offenbarung des zum persönlichen Lebensbereich gehörenden
"Geheimnisses" nicht unbefugt erfolgt. Daher kann dahinstehen, ob und inwieweit die in der Verwaltung eines Krankenhauses tätigen Mitarbeiter und insbesondere der Verwaltungsleiter im
Sinne des § 203 Abs. 3 Satz 2 StGB als Gehilfen der behandelnden Krankenhausärzte angesehen werden können (siehe dazu mit einer umfassenden Darstellung des Streitstands
MüKoStGB/Cierniak/Pohlit, 2. Aufl., § 203 Rn. 122; Narr, Ärztliches Berufsrecht, 2. Aufl., 13. Ergänzungslieferung, Rn. B 242).