Kurze Inhaltsangabe:
Das Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) musste in einem Rechtsstreit zwischen einem Arbeitgeber und dessen ehemaliger Arbeitnehmerin entscheiden, die mit ihrem Arbeitgeber im Dezember 2012 einen Vorruhestandsvertrag abgeschlossen hatte, in dem zum einen auf die geltenden Tarifverträge Bezug genommen wurde, zum anderen aber auch festgehalten wurde, dass sie verpflichtet ist, die frühest mögliche ungekürzte Altersrente nach den Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung zu beanspruchen. Der Vorruhestand sollte zu dem Zeitpunkt enden, zu dem die klagende Arbeitnehmerin die Regelaltersrente resp. die benannte ungekürzte Altersrente beanspruchen kann.
Nachdem mit Einfügung des § 236b SGB VI unter bestimmten Umständen die Rente mit 63 bezogen werden konnte, verwies die beklagte Arbeitgeberin die Arbeitnehmerin, bei der die gesetzlichen Voraussetzungen für diesen Bezug unstreitig vorlagen, auf diese Rente. Die Arbeitnehmerin erhob Klage, da die Altersrente mit 63 betragsmäßig niedriger war als das Vorruhestandsgeld, welches sie von der Beklagten bezog. Sie war der Auffassung, nach dem Tarifvertrag könne sie nicht auf die abschlagsfreie Rente mit 63 nach § 236b SGB VI verwiesen werden.
Ihre Klage wurde abgewiesen. Das Arbeitsgericht ließ offen, ob hier nach dem Tarifvertrag ein entsprechender Verweis der Klägerin auf die Rente mit 63 ausgeschlossen ist. Denn jedenfalls wäre dieser Verweis nach dem zwischen ihr und der Beklagten abgeschlossenen Vorruhestandsvertrag zulässig. Der Vertrag halte auch einer AGB-Kontrolle nach §§ 305ff BGB stand.
Die Entscheidung als Download:
Die Entscheidung im Wortlaut:
Die Parteien streiten über den Fortbestand ihres einzelvertraglich vereinbarten Vorruhestandsverhältnisses sowie hilfsweise um die Zahlung des Vorruhestandsentgelts für den Monat Oktober 2014.
Die am 10.09.1951 geboreneKlägerin stand zu der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin an Sie vertritt die Rechtsauffassung, das Vorruhestandsverhältnis der Parteien habe zum Ablauf des 30.09.2014 sein Ende gefunden , da die Klägerin - insoweit unstreitig - mit Wirkung zum 01.10.2014 die Voraussetzungen für den vorzeitigen , abschlagsfreien Bezug der „Rente mit 63" erfülle. § 2 Abs . 2 Satz 2 des Vorruhestandsvertrages vom 05.12.2012 sehe ausdrücklich vor, dass der Vorruhestand zu dem Zeitpunkt ende, in dem die Berechtigte die frühestmögliche ungekürzte Altersrente nach den Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen könne. Der Begriff „ungekürzte" Altersrente sei in diesem Zusammenhang als „abschlagsfreier " Rentenbezug zu verstehen , da jeder vorzeitige Rentenbezug vor Eintritt des Regelrenteneintrittsalters zu geringeren Einzahlungen in die Rentenkasse, dadurch zu einer Verminderung von Rentenpunkten und faktisch letztlich immer zu einer anteiligen Kürzung der Rente führe. Würde dieser Vertragspassus im Sinne der von der Klägerin vertretenen Rechtsauffassung verstanden, liefe er letztlich leer, da der vorzeitige Bezug einer „ungekürzten" Rente - im Vergleich zum Regelrenteneintrittsalter - rechtlich nie möglich sei. Diese vertragliche Regelung sei nicht gegenüber der Klägerin gemäß § 41 SGB VI unwirksam, da vorliegend nicht, wie von dem Anwendungsbereich dieser Vorschrift gefordert , die vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses vor Eintritt der Regelaltersgrenze im Streit stehe, sondern die vorzeitige Beendigung des Vorruhestandsverhältnisses
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebstAnlagen sowie die Sitzungsprotokolle vom 21.11.2014 (Blatt47 f . d. A.) und 06.05.2015 (8. 164 f. d. A.) verwiesen.
I.
Die Klage ist zulässig.
Der Feststellungsantrag ist hinreichend bestimmt i. S. v. § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. §§ 495,
253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin begehrt mit ihm die befristete Fortsetzung ihresVorruhestandsverhältnisses bis zum Eintrittin die Regelaltersrente.
Die am 10.09.1951 geborene Klägerin stand zu der Beklagten bzw. Deren Rechtsvorgängerin an deren Standort in Hoppegarten mit einer anzuerkennenden Betriebszugehörigkeit seit dem05.08.1991 in einem Arbeitsverhältnis.
Am 05.12.2012 (Blatt12 ff. d. A.) schlossen die Parteien einen „Vertrag über die Auflösung des Arbeitsvertrages und die Begründung des Vorruhestandes", den die Beklagte in dieser Form in einer Vielzahl von vergleichbaren Fällen bundesweit verwendet und der auszugsweise, sofern für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits von Bedeutung, folgenden Inhalt hat:
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§ 1
(1) Zwischen den Vertragsparteien wird der in beiderseitigem Einvernehmen am 31.07. 1991 geschlossene Arbeitsvertrag - inder Fassung der2. Anlage - nach § 11 Abs. 1 FU-TV/LSV aufgelöst.
(2) Die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis enden damit für beide Vertragsparteien, soweit in diesem Vertrag nichts anderes vereinbart worden ist.
§ 2
(1) Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf des 31.12.2012, an den sichunmittelbar der Vorruhestand anschließt.
(2) Der Vorruhestand endet vor Beginn des Tages, ab dem die Berechtigte Anspruch auf Bezug der Regelaltersrente nach den Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung hat. Unabhängig hiervon endet der Vorruhestand zu dem Zeitpunkt, in dem die Berechtigte die frühest mögliche ungekürzteAltersrente nach den Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen kann. Die Berechtigte ist zur Antragstellung verpflichtet.
§ 3
(*) Über den BATILSV 1993 gilt der Tarifvertrag für den öf fentlichen Dienst des Bundes!TVöD/Bund) wie der Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (Tarifvertrag Altersversorgung - ATV) vom 01.03.2002.
§ 4
(1) Die Höhe des zu zahlenden Vorruhestandsgeldes ergibt sich aus § 11 Abs. 1 FU TVILSV und wird ab dem auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Monat jeweilsam15. eines Monats gezahlt.
…”
Die Höhe des Vorruhestandsgeldes der Klägerin setzte sich zuletzt zusammen aus einem Bruttobetrag von 2.620,23 Euro zuzüglich einer freiwilligen VBL (steuerfrei) in Höhe von 123,30 Euro sowie einer sonstigen Zulage in Höhe von 462 ,39 Euro und belief sich damit insgesamt auf 3.205,92 Euro brutto.
Die Klägerin erfüllt in ihrer Person sämtliche Voraussetzungen der sog. ,,Rente mit 63" und kann auf Grund erfolgter Beitragszahlungen zur Sozialversicherung von 45 Jahren mit Wirkung zum 01.10.2014 ohne Abschläge in Rente gehen. Nach Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 12.12.2014 (Blatt 64 d. A.) beträgt ihr Rentenanspruch zum Zeitpunkt des Eintritts in die Regelaltersrente mit Wirkung zum 01.03.2017 1.175,00 Euro netto monatlich, während sich im Falle der Nichtinanspruchnahme der „Rente mit 63" ein monatlicher Zahlbetrag zum 01.03.2017 in Höhe von 1.243,29 Euro netto ergäbe.
Die Beklagte stellte, da die Klägerin in ihrer Person die Voraussetzungen der Inanspruchnahme der „Rente mit 63" erfüllt . mit Wirkung ab dem Monat Oktober 2014 die Zahlung des Vorruhestandsgeldes ein. Um diesen Wegfall der Zahlungen finanziell
überbrücken zu können, beantragte die Klägerin vorläufig bei der Deutschen Rentenversicherung Bund mit Wirkung zum 01.10.2014 die Zahlung der „Rente mit 63", die diese auch tatsächlich erbringt, auf Wunsch der Klägerin allerdings lediglich unter dem Vorbehaltdes Ausgangs des hiesigen Rechtsstreits.
Die Klägerin ist der Rechtsauffassung , ihr Vorruhestandsverhältnis habe gemäß § 2 Abs. 2 des Vorruhestandsvertrages vom 05.12.2012 nicht mit Ablauf des 30.09.2014 sein Ende gefunden, sondern ende erst zum Ablauf des Monats Februar 2017. Eine Befristung der Vorruhestandsregelung bis zum 30.09.2014 sei vertraglich nicht vorgesehen , da die Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Einführung des Rentenversicherungsleistungsverbesserungsgesetzes zum 01.07.2014 nicht hätten vorhersehen können. Ungeachtet dessen sehe § 2 Abs. 2 des Vertrages vor, dass der Vorruhestand zu dem Zeitpunkt ende, in dem die Berechtigte die frühestmögliche ungekürzte Altersrentebeanspruchen könne. Ausweislich der mitgeteilten Rentenauskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund ergäbe sich im Verhältnis zum Regelaltersrenteneintritt mit Wirkung zum 01.03.2017 jedoch eine Rentenkürzung i. H. v. 68,29 Euro netto monatlich. Im Übrigen sei die vorzeitige Beendigung des Vorruhestandsverhältnisses ihr gegenüber gemäß
§ 41 SGB VI unwirksam.
Die Klägerin beantragt zuletzt klarstellend:
Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien mit dem „Vertrag über die Auflösung des Arbeitsvertrages und die Begründung des Vorruhestandes " vom
05.12.2012 vereinbarte sogenannte „Vorruhestandsverhältnis " nicht mit Ablauf des 30.09.2014 endete, sondern darüber hinaus bis zum 28.02.2017 (Erreichen der Regelaltersrente) fortbesteht
und
hilfsweise, sofern ihre begehrte Feststellung zur Entfristung nichtmöglich sei,
die Beklagte zu verurteilen , ihr für den Monat Oktober 2014 eine Bruttovergütung in Höhe von 2.620,32 Euro zuzüglich 123,30 Euro betriebliche Altersvorsorge zur Zusatzversorgung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) sowie einer weiteren Zulage in Höhe von 462,39 Euro, jeweils zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.10.2014, zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie vertritt die Rechtsauffassung, das Vorruhestandsverhältnis der Parteien habe zum Ablauf des 30.09.2014 sein Ende gefunden , da die Klägerin - insoweit unstreitig - mit Wirkung zum 01.10.2014 die Voraussetzungen für den vorzeitigen , abschlagsfreien Bezug der „Rente mit 63" erfülle. § 2 Abs . 2 Satz 2 des Vorruhestandsvertrages vom 05.12.2012 sehe ausdrücklich vor, dass der Vorruhestand zu dem Zeitpunkt ende, in dem die Berechtigte die frühestmögliche ungekürzte Altersrente nach den Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen könne. Der Begriff „ungekürzte" Altersrente sei in diesem Zusammenhang als „abschlagsfreier " Rentenbezug zu verstehen , da jeder vorzeitige Rentenbezug vor Eintritt des Regelrenteneintrittsalters zu geringeren Einzahlungen in die Rentenkasse, dadurch zu einer Verminderung von Rentenpunkten und faktisch letztlich immer zu einer anteiligen Kürzung der Rente führe. Würde dieser Vertragspassus im Sinne der von der Klägerin vertretenen Rechtsauffassung verstanden, liefe er letztlich leer, da der vorzeitige Bezug einer „ungekürzten" Rente - im Vergleich zum Regelrenteneintrittsalter - rechtlich nie möglich sei. Diese vertragliche Regelung sei nicht gegenüber der Klägerin gemäß § 41 SGB VI unwirksam, da vorliegend nicht, wie von dem Anwendungsbereich dieser Vorschrift gefordert , die vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses vor Eintritt der Regelaltersgrenze im Streit stehe, sondern die vorzeitige Beendigung des Vorruhestandsverhältnisses
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebstAnlagen sowie die Sitzungsprotokolle vom 21.11.2014 (Blatt47 f . d. A.) und 06.05.2015 (8. 164 f. d. A.) verwiesen.
Die Klage ist zulässig.
Der Feststellungsantrag ist hinreichend bestimmt i. S. v. § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. §§ 495, 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin begehrt mit ihm die befristete Fortsetzung ihresVorruhestandsverhältnisses bis zum Eintrittin die Regelaltersrente.
Auf Grund des Streits und der damit verbundenen rechtlichen Unsicherheit der Parteien über den Zeitpunkt der Beendigung ihres Vorruhestandsverhältnisses ist für die Feststellungsklage auch das gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. §§ 495 , 256 Abs . 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse gegeben . Nachdem die Parteien mit dem „Vertragüber die Auflösung des Arbeitsvertrages und die Begründung des Vorruhestandes " vom 05.12.2012 ihr Arbeitsverhältnis einvernehmlich mit Ablauf des 31.12.2012 aufgehoben und nahtlos mit Wirkung zum 01.01.2013 ein Vorruhestandsverhältnis begründethaben, handelt es sich bei der Feststellungsklage erkennbar nicht um eine Befristungskontrollklage gemäß § 17 TzBfG . Diese Vorschrift gilt nur dann, wenn der Arbeitnehmer geltend machen will , dass die Befristung eines Arbeitsvertrages rechtsunwirksam ist. Diese Voraussetzungen liegen erkennbar nicht vor. Denn das Arbeitsverhältnis der Parteien ist gemäß § 2 Abs. 1 des Vertrages vom 05.12.2012 einvernehmlich mit Ablauf des 31.12 .2012 beendet worden. Damit ist die Grundlage für die rechtliche Überprüfung der Befristung eines Arbeitsvertrages nichtgegeben. Tatsächlich haben die Parteien - nahtlos - mit Wirkung zum 01.01.2013 nach einvernehmlicher Auflösung ihres Arbe itsverhältnisses ein neues Rechtsverhältnis i. S. d. §§ 311 Abs. 1, 241 BGB (Vorruhestandsverhältnis) begründet, für das sich die rechtlicheUnsicherheit seines Fortbestandes ausschließlich nach § 46 Abs . 2 ArbGG i. V. m. §§ 495 , 256 Abs . 1 ZPO bestimmt.
Auch der Hilfsantrag ist am Maßstabdes § 46 Abs . 2 ArbGG i. V. m. §§ 495 , 253 Abs . 2 Nr. 2 ZPO zulässig. Allerdings ergibt sich nach dem sog. zweigliedrigen Streitgegenstandsbegr iff (Klageantrag unter besonderer Berücksichtigung seiner Begründung) , dass es sich bei dem im Klageantrag bezifferten Teil der Bruttovergütung i. H. v. 2.620,32 Euro erkennbar um einen Zahlendreher handelt und die Klägerin insoweit lediglich 2.620,23 Euro brutto zur Zahlung an sich begehrt.
II.
Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
§ 2 Abs. 2 Satz 2 des Vertrages vom 05.12.2012 ist rechtswirksam und hat das Vorruhestandsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 30.09.2014 vorzeitig beendet. Die Formulierung des Hilfsantrages (,,sofern die begehrte Feststellung zur Entfristung nicht möglich ist") lässt nicht hinreichend deutlich erkennen , dass die Klägerin den Hilfsantrag unter der Rechtsbedingung der Unzulässigkeit der Feststellungsklage erhoben wissen will. Dadurch ist der Kammer auch der Hilfsantrag zur Entscheidung angefallen , der jedoch ebenfalls der Abweisung zu unterliegen hatte.
Die Feststellungsklage ist unbegründet.
a)
Eine Unwirksamkeit von § 2 Abs . 2 Satz 2 des Vorruhestandsvertrages der Parteien vom 05.12.2012 ergibt sich noch nicht am Maßstab einer durchzuführenden AGB-Kontrolle gemäß
§§ 305 ff. BGB.
aa)
Da die Beklagte den Text des besagten Vertrages der Parteien vom 05.12.2012 in einer Vielzahl von vergleichbaren Fällen verwendet hat, handelt es sich bei diesem Vertrag um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i. S. d. § 305 Abs. 1 BGB.
bb)
§ 2 Abs . 2 Satz 2 des Vertrages ist hinsichtlich der dort vorgesehenen vorzeitigen Beendigung des Vorruhestandsverhältnisses - nämlich zu dem Zeitpunkt , zu dem die Klägerin diefrühestmögliche ungekürzte Altersrente nach den Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen kann - nicht überraschend i. S. v. § 305 c Abs . 1 BGB und deshalb Vertragsbestandteil geworden. Derartige Verweisungen auf eine vorzeitige Beendigung eines Rechtsverhältnisses vor Eintritt in die reguläre Altersrente sind im Arbeitsleben, auch und gerade im Bereich des öffentlichen Dienstes im Zusammenhang mit Vorruhestands- und Altersteilzeitverträgen als Gestaltungsinstrument so verbreitet , dass ihreAufnahme in Formulararbeitsverträge nicht als überraschend anzusehen ist (vgl. BAG, Urteil vom 15.02.2011 - 9 AZR 750/09- NZA 2011,740 ff . m. w. N.; BAG, Urteil vom 12.11.2013 - 9 AZR 484/12 - ZTR 2014, 279 ff. m. w. N.).
cc)
§ 2 Abs . 2 Satz 2 des Vertrages ist auch nicht mehrdeutig oder unklar i. S. v. § 305 c Abs . 2 BGB. Er bestimmt unmissverständlich , dass das Vorruhestandsverhältnis - ausnahmsweise
- abweichend vordem Regelaltersrenteneintritt endet, sofern dieKlägerin als Berechtigte zu einem früheren Zeitpunkt ungekürzte Altersrente nach den Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen kann. Sofern die Klägerin die Rechtsauffassung vertritt, trotz Erfüllensder Voraussetzungen des Bezugs der „Rente mit 63" könne sie ab dem01.10.2014gerade keine ungekürzte Altersrente in Anspruchnehmen, wie die Information der Deutschen Rentenversicherung zeige, führtdies noch nichtzu einer Mehrdeutigkeit oder Unklarheit der Regelung und damit zu ihrer Unwirksamkeit nach § 305 c Abs . 2 BGB. ,,Mehrdeutig" oder „unklar" wäre diese von der Beklagten gewählte Formulierung nur dann, wenn sich im Rahmen ihrer Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB nicht erschlösse, welche Bedeutung dieser Formulierung vom Empfängerhorizont der Klägerin und unter Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zuzukommen hätte. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Ein Renteneintritt vor Erreichen der Regelaltersgrenze ist üblicherweise mit monatlichen Abschlägen in der Rentenhöhe verbunden . Der Begriff der „ungekürzten" Altersrente i. S. v. § 2 Abs . 2 Satz 2 des Vertrages ist daher - vom Empfängerhorizont der Klägerin - dahin auszulegen, dass ein derartiger Abschlag gerade nicht anfallen darf. So liegt der Fall bei der „Rentemit 63", für deren Bezug die Klägerinab dem 01.10.2014 die Voraussetzungen erfüllt. Der von der Beklagten verwendeteBegriff „ungekürzt" ist damit im Rahmen der Auslegung gleichzusetzen mit dem Begriff „abschlagsfrei". Ansonsten liefe diese vertragliche Regelung leer. Das aber widerspräche den Grundsätzen, nach denen eine Vertragsauslegung zu erfolgen hat. Stellt sich die Frage einerAuslegung,so ist einer vertraglichen Regelungstets der Sinn zuzubilligen , der dazu führt , dass sie inhaltlich nicht leer läuft. In diesem Zusammenhang schadet auch eine falsche Bezeichnung nicht. Entscheidend ist, dass der Empfänger erkennt, was der Erklärende will. Dann gilt das Gewollte, da der Empfänger bei dieser Sachlage nicht schutzbedürftig ist (vgl. zu dieser Problematik: Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, 35. Auflage 2011, § 6 Rn. 133 m. w. N.). So liegt der Fall hier. ,,Ungekürzt" i. S. d. Vertrages meint „abschlagsfrei ", denn eine vorzeitige Inanspruchnahme der Rente vor Erreichen der Regelaltersgrenze führt immer dazu, dass auf Grund des vorzeitigen Rentenbezuges weitere Zahlungen in die Rentenkasse unterbleiben, insoweit also Rentenpunkte verlorengehen und die Höhe des monatlichen Rentenbezugs dadurch niedriger ausfällt.
dd)
§ 2 Abs. 2 Satz 2 des Vertrages benachteiligt die Klägerin schließlich nicht unangemessen i.S. v. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Denn die Vertragsklausel ist klar und verständlich und führtdeshalb nicht zur lntransparenz der Regelung. Insoweit gilt vorliegend sinngemäß das bereitssoeben Ausgeführte .
b)
§ 2 Abs. 2 Satz 2 des Vorruhestandsvertrages der Parteien vom 05.12.2012 ist auch nichtgemäß § 4 Abs . 3 oder Abs. 4 Satz 1 TVG unwirksam . Nach diesen Vorschriften sind abweichende Abmachungen nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten (§ 4 Abs . 3 TVG). Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig (§ 4 Abs. 4 Satz 1 TVG) . Die Voraussetzungen dieser Normen liegen nicht vor. Dabei kann für die Entscheidung desRechtsstreits dahinstehen, ob § 2 Abs. 2 Satz 2 des Vertrages überhaupt eine - insoweit zu Ungunsten der Klägerin wirkende - Abweichun g von dem gemäß § 3 dieses Vertrageseinzelvertraglich in Bezug genommenen „Tarifvertrag zur Regelung arbeitsrechtlicher Auswirkungen bei der Vereinigung von Trägern der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (Fusionstarifvertrag)" beinhaltet. Denn jedenfalls gilt dieser Tarifvertrag zwischen den Parteien deshiesigen Rechtsstreites nichtgemäß § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend, da dieKlägerin nicht Mitglied einer der denTarifvertrag abschließenden Gewerkschaften ist. Normwirkung vermag diesem Tarifvertrag daher nicht zuzukommen.
c)
Die Klage hat auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Diskriminierung der Klägerin Erfolg.
§ 2 Abs. 2 Satz 2 der Vorruhestandsvereinbarung vom 05.12.2012 ist nicht gemäß §§ 7 Abs .2 und Abs. 1, 3 Abs. 2 AGG unwirksam. Denn die vereinbarte Beendigung des Vorruhestandsverhältnisses mit frühestmöglichem Renteneintritt zum Zeitpunkt des 1. ungekürzten Altersrentenbezuges benachteiligt die Klägerin nicht.
aa)
Nach § 7 Abs. 2 AGG sind Bestimmungen in Vereinbarungen , die gegen dasBenachteiligungsverbot des Abs . 1 verstoßen , unwirksam. Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen einesin § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 AGG genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt. § 1 AGG vom 14.08.2006 hat das Ziel, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft, des Geschlechts , der Religion oder Weltanschauung , einer Behinderung, des Alters oder dersexuellenIdentität zu verhindern oder zu beseitigen.
bb)
Das AGG findet auf die hier im Streit stehende Vorruhestandsvereinbarung Anwendung . Zwar gilt nach § 2 Abs. 2 Satz 2 AGG für die betriebliche Altersvorsorge das Betriebsrentengesetz . Die Gewährung von Vorruhestandsgeld ist jedoch keine Leistung der betrieblichen Altersversorgung i. S. d. § 1 Abs. 1 BetrAVG. Übergangs- oder Vorruhestandsgelder , durch deren Zahlung die Zeit zwischen dem Ende des Arbeitsverhältnisses einerseits und dem Zeitpunkt der Rentenberechtigung anderseits überbrückt werden sollen, knüpfen nicht an den Eintrittin den Ruhestand an (vgl.zu dieser Problematik: SAG, Urteil von 15.02.2011 - 9 AZR 750/09 - a. a. 0., m. w. N.; BAG, Urteil vom 10.02.2009 - 3 AZR 783/07 - AP Nr. 58 zu § 1 BetrAVG). Derartige Leistungen zurÜberbrückung einer erwarteten Arbeitslosigkeit gehören nicht zur betrieblichen Altersversorgung (vgl. auch BAG, Urteil vom 15.02.2011 - 9 AZR 750/09- a. a. 0.).
cc)
Eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung der Klägerin am Maßstab eines im § 1 AGG genannten verpönten Merkmals, insbesondere ihres Geschlechts , vermag die Kammer nichtzu erkennen. Es ist nicht ersichtlich, dass derselbe Vertrag, wäre er mit einem Mann abgeschlossen worden , der in seiner Person dieselben Voraussetzungen erfüllt wie die Klägerin(hinsichtlich der langjährigen Sozialversicherungspflicht von 45 Jahren bei identischem Geburtsdatum) anders formuliert worden wäre und die Klägerin dadurch anders behandelt wird. In der vorliegenden Fallkonstellation ist es alleindie „Rente mit 63", die in der Personder Klägerin dazu führt, dass bereitsvor Erreichen der Altersgrenze für denBezug der Regelaltersrente das Vorruhestandsverhältn is der Parteienvorzeitig endet, da die Klägerin mit Wirkungzum 01.10.2014 abschlagsfrei und damit „ungekürzt" i. S. d. Vertragsregelung gemäß §§ 133, 157 BGB (s. o.) Rente beanspruchen kann. Anknüpfungspunkt ist dadurch ausschließlich - neben ihrem Lebensalter - das Merkmal der langjährig Sozialversicherten in der Person der Klägerin. Dieses aber ist neutral und unabhängig von einem der verpönten Merkmaledes § 1 AGG, namentlichdes Geschlechts .
Auch sonstige Unwirksamkeitsgründe vermag die Kammer nicht zuerkennen.
Insbesondere ist § 2 Abs. 2 Satz 2 der Vorruhestandsvereinbarung der Parteien nicht gemäß § 41 Satz 2 SGB VI dahin auszulegen, er entfalte gegenüberder Klägerin keine Rechtsfolgen (vgl. zur Rechtsfolgenregelung dieser Vorschrift : Rolfs in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2015 , § 41 SGB VI Rn. 13 m. w. N.).
aa)
Gemäß § 41 Satz 2 SGB VI gilt dem Arbeitnehmer gegenüber eine Vereinbarung , die die Beendigungseines Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der Arbeitnehmer vor Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente wegen Alters beantragen kann, als auf das Erreichender Regelaltersgrenze abgeschlossen, es sei denn, dass die Vereinbarung innerhalbder letzten drei Jahre vor diesem Zeitpunktabgeschlossen oder von dem Arbeitnehmer innerhalb der letztendrei Jahre vor diesem Zeitpunktbestätigt worden ist.
bb)
Die Voraussetzungen dieserNorm liegen nicht vor. Die Klägerin wendet sich nicht gegen eine
- tatsächlich nicht erfolgte - Befristung ihres Arbeits-, sondern des nach Abschluss des Aufhebungsvertrages nahtlos begründeten Vorruhestandsverhältnisses. Dieses fällt nicht unter den Anwendungsbereich dieser Norm (vgl. hierzu: Rolfs in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht , a. a. 0., § 41 SGB VI Rn. 16 f. m. w. N.).
cc)
Für eine- ggf. in Betracht zu ziehende - analoge Anwendung vermag die Kammereine planwidrige Regelungslücke nichtzu erkennen.
Da die Klägerin den Hilfsantrag auf Zahlung des Vorruhestandsentgelts für den Monat Oktober 2014 nicht unter die Rechtsbedingung gestellthat, dass ihre Feststellungsklage vom Gericht als unzulässig angesehen wird, fiel er der Kammer aufgrund der Abweisung der Feststellungsklage zur Entscheidung an (s. o.). Auch er ist unbegründet, da eine Anspruchsgrundlage für die Zahlung nicht erkennbar ist. Anspruchsgrundlage wäre allein der Vorruhestandsvertrag der Parteien vom 05.12.2012 . Das Vertragsverhältnis aber ist, wie bereits ausgeführt, mit Ablauf des 30.09 .2014 beendet worden und scheidet dadurch als Anspruchsgrundlage für die Zahlung von Entgelt nach diesem Zeitpunkt aus.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 91 Abs . 1 ZPO.
Den gemäß § 61 Abs . 1 ArbGG im Urteil festzusetzenden Wert des Streitgegenstandeshat die Kammer mit insgesamt 4 Bruttomonatsvorruhestandsentgelten a 3.205,92 Euro bemessen und dabei für den Feststellungsantrag drei Entgelte in Ansatz gebracht. Aufgrund
der Entscheidung über den Hilfsantrag war eine Addition mit dem durch den Zahlendreher auf
3.205 ,92 Euro zu korrigierenden Nennwert der Zahlungsklage (s. o.).vorzunehmen (§§ 3 ff . ZPO i. V. m. §§ 42 Abs . 2 Satz 1, 45 Abs. 1 Satz 2 GKG).
Gemäß § 64 Abs . 3 ArbGG war eine Entscheidung darüber, ob die Berufungfür die nicht gesondert gemäß § 64 Abs . 2 lit. b) ArbGG berufungsfähigen Streitgegenstände zugelassen oder nichtzugelassen wird, in den Urteilstenor aufzunehmen. Diese Entscheidung ist für jeden Streitgegenstand gesondert zu treffen, wenn für ihn nicht schonkraft Gesetzes eine Berufungsfähigkeit besteht(BAG, Urteil vom 27.01.2004 - 1 AZR 105/03 - AP Nr. 35 zu § 64 ArbGG 1979; ermelmann in: Germelmann/Mattes/Prütting , ArbGG, 8. Auflage 2013, § 64 Rn. 13 m. w. N.). Die Berufung war , bezogen auf die einzelnen Teile des abgewiesenen Hilfsantrages, nicht gesondert zuzulassen, da die Berufungszulassungsgründe des§ 64 Abs. 3 ArbGG für die einzelnen , 600,00 Euro nicht übersteigenden Bestandteile eines Vorruhestandsmonatsbruttoentgeltes nicht vorliegen.