Arbeitsrecht


Kein entgeltlicher Abgeltungsanspruch für (Ersatz-) Urlaubsanspruch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses

BAG, Urteil vom 16.05.2017 - 9 AZR 572/16 -

Kurze Inhaltsangabe: 

 

Die Klägerin begehrt von der Beklagten wegen nicht erhaltender Urlaubstage in 2015 Schadensersatz in Geld. Sie hatte mit der Beklagten  einen Altersteilzeitvertrag geschlossen und während der Arbeitsphase einen nicht gewährten Urlaub beantragt, der infolge folgenden Freistellungspjase nicht mehr genommen werden konnte. Die Freistellungsphase endet mit dem 31.03.2018, mit dem die Klägerin in Ruhestand geht.  Das Arbeitsgericht gab der Klage statt, das Landesarbeitsgericht änderte das Urteil ab und wies die Klage zurück. Die dagegen von der Klägerin eingelegte Revision wurde vom BAG zurückgewiesen.

 

Nach § 251 Abs. 1 BGB könne die Klägerin statt der Gewährung von Ersatzurlaub nicht Schadensersatz in Geld mit der Begründung verlangen, ein Anspruch auf Ersatzurlaub sei in Ansehung des Eintritts einer Freistellungsphase (der Altersteilzeit) nicht mehr realisierbar.  In Abänderung seiner bisherigen Rechtsprechung hält das BAG fest, dass sich der Ersatzurlaubanspruch aus § 7 Abs. 4 BurlG ergäbe; an der bisherigen Rechtsauffassung, der an die Stelle des Ersatzurlaubsanspruchs tretende Schadensersatzanspruch ergäbe sich aus § 252 Abs. 1 BGB werde nicht weiter festgehalten.

 

Ein rechtzeitig begehrter Urlaub, wandelt sich, wenn der Urlaubsanspruch verfällt, in einen Schadensersatzanspruch um, der die Gewährung von Ersatzurlaub zum Inhalt hat. Die Gewährung von Schadensersatz i Geld würde bei bestehenden Arbeitsverhältnis eine unzulässige Abgeltung von Urlaubsansprüchen darstellen. Damit tritt der Ersatzurlaubsanspruch im Wege des Schadensersatzes an die Stelle des ursprünglichen Urlaubsanspruchs (sogen. Naturalrestitution). Kann diese durch den Wegfall der Arbeitspflicht nicht gewährt werden, liegt keine Unmöglichkeit nach § 251 Abs. 1 BGB vor, sondern ein durch § 7 Abs. 4 BurlG besonders geregelter Fall.

 

 

Her endete das Arbeitsverhältnis nicht bereits mit dem Übergang von der Arbeits- in die Freistellungsphase; das Arbeitsverhältnis besteht während der Freistellungsphase fort. Es endet zum vereinbarten Endtermin. Zwar obliegt dem Arbeitnehmer keine Pflicht zur Arbeitsleistung, dem Arbeitgeber aber weiterhin eine Pflicht zur Zahlung des Entgelts, weshalb auch kein Ruhen des Arbeitsverhältnisses in der Freistellungsphase eintritt. 

 

Aus den Gründen:

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 12. Juli 2016 - 8 Sa 463/16 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt nach Eintritt in die Freistellungsphase der Altersteilzeit Schadensersatz wegen in der Arbeitsphase der Altersteilzeit nicht gewährter Urlaubstage.

Die am 7. März 1955 geborene Klägerin ist bei der Beklagten, einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt, seit dem 1. Mai 1989 als Redakteurin gegen eine Bruttomonatsvergütung iHv. zuletzt 3.551,00 Euro beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet ua. der Manteltarifvertrag zwischen dem Hessischen Rundfunk und der Tarifgemeinschaft im Hessischen Rundfunk (MTV HR) Anwendung. Zum Urlaubsanspruch war im MTV HR ua. Folgendes geregelt:

        

„§ 36 

        

Erholungsurlaub

        

1.    

Der Arbeitnehmer hat in jedem Urlaubsjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Zahlung der Dienstbezüge (§ 19), der Familienzuschläge und der sonstigen festen Bestandteile der Vergütung, die nicht nur vorübergehend gezahlt werden.

        

2.    

Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.

        

3.    

Der Jahresurlaub beträgt

        

        

a)    

…       

        

        

        

        

nach dem

vollendeten 40. Lebensjahr

31 Arbeitstage.

        

        

Arbeitstage sind die Tage von Montag bis Freitag, ausgenommen gesetzliche Feiertage.

        

        

…“    

Für den Zeitraum vom 1. April 2012 bis zum 31. März 2018 begründeten die Parteien auf der Grundlage des „Tarifvertrags über Altersteilzeitarbeit im Hessischen Rundfunk vom 5. November 2009“ (TV ATZ 2009) ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell mit einer Arbeitsphase bis zum 31. März 2015. Im Altersteilzeitarbeitsvertrag zwischen den Parteien vom 17. Juni 2010 heißt es auszugsweise:

        

„Die Einzelheiten Ihrer Rechtsbeziehungen zum hr während der Altersteilzeit richten sich nach dem o. g. Tarifvertrag. Mit Ablauf der passiven Altersteilzeit endet Ihr Arbeitsverhältnis zum hr.“

§ 4 Ziff. 5 TV ATZ 2009 lautet:

        

„5.     

Während der aktiven Altersteilzeit wird Erholungsurlaub in dem gemäß MTVHR jeweils zustehenden Umfang gewährt. Während der passiven Altersteilzeit entfällt ein Erholungsurlaub.

        

        

Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer, die im Laufe eines Urlaubsjahres von der aktiven in die passive Altersteilzeit wechseln, erhalten für jeden Beschäftigungsmonat dieses Urlaubsjahres in aktiver Altersteilzeit ein Zwölftel des Jahresurlaubs.

        

        

Im Übrigen findet § 36 Ziff. 6 MTVHR entsprechende Anwendung.“

Mit Schreiben vom 12. Dezember 2014 beantragte die Klägerin für das Kalenderjahr 2015 31 Urlaubstage. Die Beklagte gewährte ihr unter Ablehnung des Antrags im Übrigen nur acht Urlaubstage.

Mit ihrer der Beklagten am 14. August 2015 zugestellten Klage hat die Klägerin wegen der Nichtgewährung von 23 Urlaubstagen für das Kalenderjahr 2015 Ersatz in Geld verlangt. Sie hat geltend gemacht, ihr habe für das Kalenderjahr 2015 ein ungekürzter Urlaubsanspruch von 31 Arbeitstagen zugestanden. Die bei einem Wechsel von einem Vollzeit- in ein Teilzeitarbeitsverhältnis geltenden Umrechnungsgrundsätze fänden bei einem Wechsel von der Arbeits- in die Freistellungsphase der Altersteilzeit keine Anwendung. Eine Urlaubsumrechnung nach erfüllter Wartezeit benachteilige sie wegen ihrer Teilzeit. Ihr Urlaubsanspruch sei auch nicht nach § 4 Ziff. 5 Abs. 2 TV ATZ 2009 umzurechnen. Diese Regelung sei wegen eines Verstoßes gegen § 13 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 1 BUrlG unwirksam. Wegen der Unmöglichkeit der Urlaubsgewährung in der Freistellungsphase könne sie den Schadensersatz in Geld bereits vor der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangen.

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.769,52 Euro brutto zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. August 2015 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, der Klägerin habe für das Kalenderjahr 2015 lediglich ein Urlaubsanspruch im Umfang von acht Arbeitstagen zugestanden. Im Jahr des Übergangs von der Arbeits- in die Freistellungsphase sei der Urlaubsanspruch entsprechend den zu einem Teilzeitarbeitsverhältnis mit wöchentlich weniger Arbeitstagen entwickelten Grundsätzen umzurechnen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Der Klägerin steht vor der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses weder der beanspruchte Schadensersatz in Geld noch die Abgeltung von 23 Arbeitstagen Ersatzurlaub aus dem Jahr 2015 zu. Der Senat muss deshalb nicht entscheiden, ob die Klägerin im Jahr 2015 einen Urlaubsanspruch im Umfang von 31 Arbeitstagen hatte.

I. Die Klägerin kann von der Beklagten nicht nach § 251 Abs. 1 BGB statt der Gewährung von Ersatzurlaub Schadensersatz in Geld verlangen, weil ein Anspruch auf Ersatzurlaub wegen des Eintritts in die Freistellungsphase der Altersteilzeit nicht mehr realisiert werden kann. Der Anspruch auf Abgeltung von Ersatzurlaub richtet sich nach den Vorgaben des § 7 Abs. 4 BUrlG. Soweit der Senat in der Vergangenheit angenommen hat, der an die Stelle des Ersatzurlaubsanspruchs tretende Schadensersatzanspruch in Geld ergäbe sich aus § 251 Abs. 1 BGB (vgl. BAG 6. August 2013 - 9 AZR 956/11 - Rn. 20; 20. April 2012 - 9 AZR 504/10 - Rn. 12), wird daran nicht festgehalten.

1. Hat der Arbeitgeber den vom Arbeitnehmer rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt, wandelt sich der im Verzugszeitraum verfallene Urlaubsanspruch gemäß § 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1, § 287 Satz 2 und § 249 Abs. 1 BGB in einen Schadensersatzanspruch um, der die Gewährung von Ersatzurlaub zum Inhalt hat (st. Rspr., zB BAG 12. April 2016 - 9 AZR 659/14 - Rn. 14; 19. Januar 2016 - 9 AZR 507/14 - Rn. 21). Ein Schadensersatz in Geld (§ 251 Abs. 1 BGB) wegen des verfallenen Urlaubs vor der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses wäre faktisch eine nicht zulässige Abgeltung von Urlaub während des bestehenden Arbeitsverhältnisses. Der Ersatzurlaubsanspruch tritt als Schadensersatzanspruch (§ 249 Abs. 1 BGB) an die Stelle des ursprünglichen Urlaubsanspruchs (BAG 26. Juni 1986 - 8 AZR 75/83 - zu II 1 der Gründe, BAGE 52, 254). Er bewirkt, dass der Urlaubsanspruch trotz seines Erlöschens am Ende des Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraums bei rechtzeitigem Verlangen des Arbeitnehmers nicht ohne Kompensation untergeht, und dient somit der Sicherstellung des auf bezahlte Freistellung gerichteten Urlaubsanspruchs.

2. Mit der Entstehung des Ersatzurlaubsanspruchs erhält der Arbeitnehmer bereits Schadensersatz im Wege der Naturalrestitution. Nach dem in § 249 Abs. 1 BGB festgelegten Grundsatz der Naturalrestitution ist der Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Danach kann der Arbeitnehmer verlangen, so gestellt zu werden, als sei der von ihm rechtzeitig geltend gemachte und vom Arbeitgeber nicht gewährte Urlaub nicht verfallen. Der Ersatzurlaubsanspruch ist somit auf den Fortbestand des Anspruchs auf bezahlte Freistellung unter den Bedingungen des BUrlG gerichtet. Dies hat zur Folge, dass der Ersatzurlaubsanspruch - mit Ausnahme des Fristenregimes (vgl. BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05 - Rn. 24) - den Modalitäten des verfallenen Urlaubsanspruchs unterliegt. Dies gilt sowohl für die Inanspruchnahme als auch für die Abgeltung des Ersatzurlaubs. Für eine Anwendung des § 251 Abs. 1 BGB bleibt kein Raum. Die Herstellung des vor dem schädigenden Ereignis bestehenden Zustands erfolgt durch die (Wieder-)Einräumung eines Anspruchs auf bezahlte Freistellung. Hierdurch ist die Naturalrestitution bewirkt, nicht erst durch die Freistellung selbst. Kann Letztere durch den Wegfall der Arbeitspflicht tatsächlich nicht gewährt werden, liegt keine Unmöglichkeit iSv. § 251 Abs. 1 BGB, sondern ein durch § 7 Abs. 4 BUrlG besonders geregelter Fall des Leistungsstörungsrechts (vgl. BAG 20. September 2011 - 9 AZR 416/10 - Rn. 23, BAGE 139, 168) vor.

II. Die Klägerin hat mit Beendigung der Arbeitsphase des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses keinen Anspruch auf Abgeltung von Ersatzurlaub nach Maßgabe des § 7 Abs. 4 BUrlG.

1. Nach § 7 Abs. 4 BUrlG ist der (Ersatz-)Urlaub abzugelten, wenn er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Diese Vorschrift erlaubt eine Abgeltung nicht gewährten (Ersatz-)Urlaubs nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses (BAG 16. Oktober 2012 - 9 AZR 234/11 - Rn. 19). Darunter ist dessen rechtliche Beendigung zu verstehen. Dies ergibt sich schon aus dem Begriff „Arbeitsverhältnis“, mit dem die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammenfassend bezeichnet werden und die regelmäßig durch einen Arbeitsvertrag begründet werden. Ist das Arbeitsverhältnis ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis, endet es iSv. § 7 Abs. 4 BUrlG zum vereinbarten Endtermin und nicht bereits mit dem Übergang von der Arbeits- in die Freistellungsphase (so auch für das Beamtenverhältnis BVerwG 19. November 2015 - 2 C 3.15 - Rn. 16). Das Arbeitsverhältnis besteht während der Freistellungsphase fort. Zwar hat der Arbeitnehmer keine Arbeitsverpflichtung, weil er seine Leistung in der Arbeitsphase bereits erbracht hat. Der Arbeitgeber ist aber zur Entgeltleistung verpflichtet, sodass auch kein Ruhen des Arbeitsverhältnisses in der Freistellungsphase eintritt. Auch eine analoge Anwendung von § 7 Abs. 4 BUrlG ist nicht geboten. Eine planwidrige Regelungslücke liegt nicht vor (BAG 16. Oktober 2012 - 9 AZR 234/11 - Rn. 19 mwN).

2. Danach ist die für die Abgeltung von Ersatzurlaub erforderliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien nicht eingetreten. Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis besteht während der Freistellungsphase der Altersteilzeit fort und endet erst mit Ablauf des 31. März 2018.

III. Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.