Kurze Inhaltsangabe:
Es ist vom Ausgangspunkt einer der alltäglichen Fälle in der zivilrechtlichen Praxis: Die beklagten Anwälte erwirkten zugunsten des Klägers ein Urteil gegen die S. AG. Das OLG Stuttgart verurteilte am 30.08.2015 die S. AG antragsgemäß auf Zahlung von € 23.576,90 zuzügl. Zinsen. Am 23./27.12.2015 schlossen die Beklagten sowohl namens des Klägers als auch anderer Vertretener gegenüber der S. AG mit der S. AG eine Verpfändungsvereinbarung, derzufolge Aktien der S. AG an einer anderen Gesellschaft am 30.10.2006 verkauft wurden und der auf Notaranderkonto eingehende Erlös vom Notar aufgrund Treuhandvertrages vom gleichen Tag an den Kläger und weitere von den Beklagten vertretene Gläubiger ausgezahlt wurde. Damit war an sich der Kläger mit € 31.578,36 befriedigt. Allerdings beantragte am 07.04.2007 ein Gläubiger der S. AG die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der S. AG; die Eröffnung erfolgte am 14.06.2007. Der Insolvenzverwalter focht die Zahlung an den Kläger an und der zwischenzeitlich anwaltlich anderweitig vertretene Kläger zahlte an diesen € 18.921,87 zu Masse zurück. Im folgenden Verfahren begehrte der Kläger Schadensersatz von den beklagten Anwälten. Das Landgericht gab der Klage mit € 23.736,61 statt; das OLG wies die Klage ab. Auf die Berufung des Klägers hob der BGH das Urteil des OLG auf und verwies den Rechtsstreit an das OLG zurück.
Für das Revisionsverfahren ging der BGH mangels Eingehens des OLG auf eine Pflichtverletzung der Beklagten vom Vortrag des Klägers aus, die Beklagten mit der Durchsetzung seiner Forderung gegen die S. AG beauftragt zu haben und trotz absehbarer Insolvenz und einem daraus drohenden Anfechtungsrisiko die titulierte Forderung nicht im Rahmen der Zwangsvollstreckung durchgesetzt zu haben. Dies sei ein schlüssiger Vortrag zu einer anwaltlichen Pflichtverletzung.
Der Anwalt habe einen Auftrag so zu erledigen, dass Nachteile für den Mandanten möglichst vermieden würden. Das beinhalte, dass der Anwalt aus dem Titel möglichst zügig die Zwangsvollstreckung betreibe. Bestünden Anhaltspunkte für eine bevorstehende Insolvenz, müsse der Anwalt den Mandanten auf die fehlende Insolvenzfestigkeit auf die im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder danach durch Zwangsvollstreckung erlangten Sicherheit nach § 88 InsO ebenso hinweisen wie auf die Anfechtbarkeit erhaltener Sicherheiten und Zahlungen gem. §§ 130, 131 InsO. Er müsse jede Kosten verursachende Maßnahme unterlassen und den Mandanten auf Anmeldung seiner Forderung zur Tabelle im Insolvenzverfahren hinweisen. Der Anwalt trage zwar nicht das Risiko der Uneinbringlichkeit und für nicht vorhersehbare Risiken würde er auch nicht haften. Die Beratung müsse sich an die Kenntnis der absehbaren Chancen und Risiken orientieren, damit der Mandant eine eigenverantwortliche Entscheidung treffen könne.
Nach dem Vortrag des Klägers, der revisionsrechtlich zugrunde gelegt wurde, hielten die Beklagten die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens für möglich. Vor diesem Hintergrund hätten sie den Kläger darauf hinweisen müssen, dass eine erfolgreiche Zwangsvollstreckung außerhalb des kritischen Zeitraums von drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag bestand haben würde. Zur vollständigen Unterrichtung des Mandanten gehöre auch der Hinweis auf die besonderen Risiken, die mit einem Vergleichsschluss und einer freiwilligen Zahlung des Schuldners verbunden seien. Daran hätte es vorliegend nach dem Vortrag des Klägers ermangelt.
Die unterlassene Zwangsvollstreckung sei nur dann pflichtwidrig, wenn pfändbares Vermögen vorhanden war. Welches bekannt war oder mit den Mitteln der Zwangsvollstreckung hätte in Erfahrung gebracht werden können. Da kein Fall der Verjährung oder Ablauf einer Ausschlussfrist vorläge greife nicht die Erleichterung des § 287 ZPO. Allerdings habe der Kläger hinreichend zu Forderungen der S. AG (so zum Käfer der Aktien der anderen Gesellschafter) hingewiesen. Nach seinem Vortrag wären die Pfändung der Forderung wie auch Kontenpfändungen erfolgreich gewesen. Dies reiche zur Schlüssigkeit aus.
Die Beklagten hatten geltend gemacht, sie hätten 200 Anleger vertreten und eine Zwangsvollstreckung für alle hätte unweigerlich einen Insolvenzantrag nach sich gezogen. Sie wären allen Mandanten gegenüber in gleicher Weise verpflichtet, weshalb sie nicht eine Maßnahme für den Kläger hätten durchführen können, die diesem zwar nütze, den anderen aber schade. Insoweit wies der BGH darauf hin, dass der Anwalt der berufene unabhängige Berater und Vertreter des Mandanten sei und nur den Interessen des eigenen Mandanten gegenüber verpflichtet sei. Ein Mandant dürfe bei Abschluss des Anwaltsvertrages von diesem Leitbild ausgehen. Mit Annahme des Mandats würde der Anwalt erklären, die Interessen dieses Mandanten unabhängig von Interessen Dritter wahrzunehmen. Will der Anwalt nur eingeschränkt für den Mandanten tätig werden, habe er dies vorab dem Mandanten mitzuteilen. Gleiches gelte für nachträgliche Interessenskonflikte, die nur ein eingeschränktes Tätigwerden erlauben würden. Zu dieser Problematik müsste den Parteien noch ergänzend die Möglichkeit zur Stellungnahme gewährt werden.
Aus den Gründen:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 16. März 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Der Kläger nimmt die beklagte Anwaltssozietät wegen Verletzung vertraglicher Pflichten aus einem Anwaltsvertrag auf Schadensersatz in Anspruch. Die Beklagte, die auf die Beratung geschädigter Anleger spezialisiert ist, vertrat den Kläger gegenüber der S. AG (fortan: Schuldnerin). Die Schuldnerin wurde durch Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 30. August 2005 zur Zahlung von 23.576,90 € nebst Zinsen an den Kläger verurteilt. Am 23./27. Dezember 2005 schloss die Beklagte namens des Klägers und namens weiterer Anleger mit der Schuldnerin eine Verpfändungsvereinbarung, welche Aktien der Schuldnerin an der G. AG betraf. Die Aktien wurden am 30. Oktober 2006 verkauft. Der Erlös wurde auf ein Notaranderkonto gezahlt. Aufgrund eines Treuhandvertrages vom 30. Oktober 2006 war der Notar verpflichtet, gegen eine Pfandfreigabeerklärung den Betrag von 4.982.000 € an die Beklagte für die von ihr vertretenen Anleger zu zahlen. Am 31. Oktober 2006 überwies der Notar diesen Betrag an die Beklagte. Danach überwies die Beklagte an den Kläger dessen Anteil von 31.578,36 €.
Am 7. April 2007 beantragte ein Gläubiger die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Das Verfahren wurde am 14. Juni 2007 eröffnet. Am 29. März 2010 focht der Insolvenzverwalter die Zahlung an den Kläger an. Der mittlerweile anderweitig anwaltlich vertretene Kläger zahlte nach Abschluss eines Vergleichs mit dem Verwalter insgesamt 18.921,87 € zur Masse zurück.
Der Kläger wirft der Beklagten vor, seine Forderung nicht unverzüglich und anfechtungsfest im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben zu haben. Er verlangt Schadensersatz in Höhe des an die Masse gezahlten Betrages sowie der von ihm aufgewandten Anwaltskosten und der Kosten der Gegenseite, die er zu erstatten hatte, in Höhe von insgesamt 24.079,33 € nebst Zinsen. Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von 23.736,61 € nebst Zinsen verurteilt, Zug um Zug gegen Abtretung der auf seinen Anspruch gegen die Schuldnerin entfallenden Quote im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin, und hat den Annahmeverzug der Beklagten hinsichtlich der Abtretung festgestellt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen in erster Instanz gestellten Klageantrag vollumfänglich weiter.
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Kläger habe nicht dargelegt und unter Beweis gestellt, dass eine Vollstreckung aus dem Titel nicht zu einem sofortigen Insolvenzantrag der Schuldnerin geführt hätte. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers sei die Schuldnerin bereits im Jahre 2005 insolvenzreif gewesen. Der Kläger habe sich insoweit auf ein Schreiben der Beklagten an einen anderen Anleger vom 1. August 2005 bezogen, nach welchem sie, die Beklagte, eine Kontenpfändung wegen der drohenden Insolvenz der Schuldnerin zurückgenommen habe. Viele Gläubiger hätten im August 2005 die Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin betrieben. Ein Insolvenzantrag sei deshalb nur wegen des Absehens von der Zwangsvollstreckung aufgeschoben worden. Die Schuldnerin wäre gegebenenfalls ihrer strafbewehrten Antragspflicht innerhalb der Frist von drei Wochen nachgekommen. Gegenteiliges habe der Kläger nicht behauptet und nicht unter Beweis gestellt. Vollstreckungsmaßnahmen aus dem vorangegangenen Monat wären dann gemäß § 88 InsO unwirksam geworden, so dass der Schaden des Klägers auch in diesem Fall entstanden wäre.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Annahme des Berufungsgerichts, eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil vom 30. August 2005 hätte innerhalb von drei Wochen zu einem Eigenantrag der Schuldnerin geführt, widerspricht dem unstreitigen Sachverhalt sowie dem beweisbewehrten Vortrag des Klägers dazu, dass in den Jahren 2005 und 2006 andere Gläubiger die Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin betrieben haben, ohne dass die Schuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen beantragt hat.
1. Die Beklagte hat am 9. November 2006 für den Gläubiger W. sen. wegen einer Forderung von 147.653,67 € den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses hinsichtlich der Forderung der Schuldnerin gegen den Drittschuldner Notar R. beantragt. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wurde antragsgemäß erlassen. Ebenfalls am 9. November 2006 hat die Beklagte für die Gläubigerin Eva D. wegen einer Forderung von 152.571,57 € den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses hinsichtlich der Forderung der Schuldnerin gegen den Drittschuldner Notar R. beantragt. Auch dieser Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wurde antragsgemäß erlassen. Beide Beschlüsse wurden der Schuldnerin im Dezember 2006 zugestellt. Die Pfändungen hatten Erfolg und führten zu Zahlungseingängen von insgesamt 281.356,42 € bei der Beklagten. Der Kläger hat sich den entsprechenden Vortrag der Beklagten ausdrücklich zu eigen gemacht und darauf verwiesen, dass diese Maßnahmen - unstreitig - keinen Eigenantrag der Schuldnerin zur Folge hatten.
2. Der Kläger hat überdies weitere Vollstreckungsmaßnahmen gegen die Schuldnerin seit 2005 behauptet, die weder zu einem Eigenantrag der Schuldnerin noch zu einer Kündigung der Bankverbindungen der Schuldnerin geführt hätten, und sich zum Beweis auf das Zeugnis des Verwalters im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin, auf das Zeugnis seines vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten sowie auf das Zeugnis eines weiteren Rechtsanwalts berufen. Zwangsvollstreckungen einer Vielzahl von Gläubigern gegen die Schuldnerin im August 2005 hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Unstreitig stellte die Schuldnerin gleichwohl keinen Insolvenzantrag. Warum dies anders gewesen wäre, wenn der Kläger seine verhältnismäßig niedrige Forderung im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt hätte, ist nicht nachzuvollziehen.
3. Im nachgelassenen Schriftsatz vom 22. Februar 2016 hat der Kläger schließlich zum Beweise dessen, dass die zwangsweise Beitreibung seiner Forderung von 23.567,90 € nicht zur sofortigen Insolvenz der Schuldnerin geführt hätte, die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt. Mit diesem Beweisangebot hat sich das Berufungsgericht ebenso wenig befasst wie mit den erfolgreichen Pfändungen im Jahre 2006 sowie mit den Beweisantritten hinsichtlich der Vollstreckungsmaßnahmen weiterer Gläubiger (Art. 103 Abs. 1 GG).
III.
Das Urteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung fehlt es nicht bereits an einer Pflichtverletzung der Beklagten. Das Berufungsgericht hat die Frage einer Pflichtverletzung offen gelassen. Revisionsrechtlich ist damit insoweit vom Vorbringen des Klägers auszugehen. Der Kläger hat die Beklagte mit der Durchsetzung einer Forderung gegen die Schuldnerin beauftragt. Er wirft ihr vor, diese Forderung trotz der absehbaren Insolvenz der Schuldnerin und des daraus folgenden Anfechtungsrisikos nicht im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt zu haben. Damit ist eine anwaltliche Pflichtverletzung schlüssig dargelegt.
a) Ein Rechtsanwalt hat seinen Auftrag so zu erledigen, dass Nachteile für den Mandanten möglichst vermieden werden (vgl. etwa BGH, Urteil vom 17. März 2016 - IX ZR 142/14, WM 2016, 2091 Rn. 9). Ein Rechtsanwalt, der mit der zwangsweisen Durchsetzung einer Forderung beauftragt worden ist und einen Titel gegen einen Schuldner des Mandanten erwirkt hat, hat zügig die Zwangsvollstreckung zu betreiben (Vill in G. Fischer/Vill/D.Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 2 Rn. 258; vgl. auch BGH, Urteil vom 3. März 2016 - IX ZR 119/15, WM 2016, 617 Rn. 23). Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Insolvenz des Schuldners des Mandanten bevorsteht, muss der Anwalt den Mandanten über das Risiko der fehlenden Insolvenzfestigkeit der im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag durch Zwangsvollstreckung erlangten Sicherheit gem. § 88 InsO (Vill, aaO) ebenso hinweisen wie auf die Anfechtbarkeit erhaltener Sicherheiten und Zahlungen gemäß §§ 130, 131 InsO (Vill, aaO Rn. 265; vgl. auch BGH, Urteil vom 8. Januar 2004 - IX ZR 30/03, WM 2004, 481, 482). Die Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen des Schuldners einerseits (§§ 130, 131, 133 InsO), und von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung andererseits (§ 133 Abs. 1 InsO; vgl. dazu BGH, Urteil vom 10. Februar 2005 - IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143, 147 ff; zur Abgrenzung von Rechtshandlungen und Maßnahmen der Zwangsvollstreckung vgl. BGH, Urteil vom 1. Juni 2017 - IX ZR 48/15, WM 2017, 1315 Rn. 14 ff; vom 1. Juni 2017 - IX ZR 114/16, WM 2017, 1348 Rn. 6 ff) hat der Anwalt zu kennen. Er muss seine Beratung hieran ausrichten. Der Senat hat bereits entschieden, dass ein drohendes oder sogar bereits beantragtes Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners Anlass sein kann, jegliche Kosten verursachende Maßnahmen zu unterlassen und den Mandanten darauf zu verweisen, dass er seine Forderung im Insolvenzverfahren zur Tabelle anmelden könne (BGH, Urteil vom 8. Januar 2004 - IX ZR 30/03, WM 2004, 481, 482 f; vgl. auch Fahrendorf in Fahrendorf/Mennemeyer/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts, 8. Aufl. Rn. 2101). Zwar kann der Anwalt seinem Mandanten das mit der Insolvenz des Schuldners verbundene Risiko der Uneinbringlichkeit der Forderung nicht abnehmen. Für Entwicklungen, die nicht vorhersehbar waren, haftet er auch nicht. Jedoch muss er den Mandanten so weit belehren, dass dieser - wie auch in anderen Fällen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 1. März 2007 - IX ZR 261/03, BGHZ 171, 261 Rn. 9 ff; vom 15. Januar 2009 - IX ZR 166/07, WM 2009, 571 Rn. 10; vom 9. Juli 2009 - IX ZR 88/08, WM 2009, 1722 Rn. 9) - in Kenntnis der absehbaren Chancen und Risiken eine eigenverantwortliche Entscheidung über das weitere Vorgehen treffen kann.
b) Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Vortrag des Klägers hielt die Beklagte bereits im Jahre 2005 für möglich, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet werden würde. Der Kläger hat dazu ein Schreiben der Beklagten vom 1. August 2005 an einen anderen Gläubiger der Schuldnerin vorgelegt, in welchem es heißt, eine Kontopfändung sei wegen der drohenden Insolvenz der Schuldnerin zurückgenommen worden. Sie hat außerdem entsprechenden Prozessvortrag der Beklagten aus einem Parallelverfahren (LG Gera 2 O 1213/13) zitiert. Unter diesen Umständen hätte die Beklagte den Kläger darauf hinweisen müssen, dass eine Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin außerhalb des kritischen Zeitraumes von drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§§ 130, 131 InsO) insolvenzrechtlich Bestand hat, während Rechtshandlungen des Schuldners gegebenenfalls bis zu zehn Jahren vor dem Eröffnungsantrag angefochten werden konnten (§ 133 Abs. 1 InsO aF). Ob und wann die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin beantragt werden und ob der Antrag zur Eröffnung führen würde, konnte die Beklagte zwar nicht wissen, weil es sich bei dem Insolvenzantrag und dem Eröffnungsbeschluss um ein in der Zukunft liegendes und damit ungewisses Ereignis handelte. Zur vollständigen Aufklärung des Mandanten gehörte jedoch die Unterrichtung über die mit einem Vergleichsschluss und einer freiwilligen Zahlung verbundenen zusätzlichen insolvenzrechtlichen Risiken. Nach dem revisionsrechtlich maßgeblichen Vortrag des Klägers hat keine entsprechende Beratung und Aufklärung stattgefunden. Die Beklagte hat vielmehr eigenmächtig mit der Schuldnerin verhandelt und keine Weisungen des Klägers hinsichtlich des weiteren Vorgehens eingeholt.
c) Eine unterlassene Zwangsvollstreckung ist nur dann pflichtwidrig, wenn pfändbares Vermögen vorhanden war und entweder bekannt war oder mit den Möglichkeiten, welche die Zivilprozessordnung bietet, ermittelt werden konnte. Anders als in den bereits entschiedenen Fällen des Forderungsverlustes durch Verjährung oder Ablauf einer Ausschlussfrist (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 2004 - IX ZR 255/00, WM 2004, 2217, 2219; vom 1. März 2007 - IX ZR 261/03, BGHZ 171, 261 Rn. 35; Beschluss vom 8. November 2007 - IX ZR 221/06, nv, Rn. 2; vom 24. Oktober 2013 - IX ZR 164/11, NJW-RR 2014, 172 Rn. 8) geht es hier nicht um einen durch die Pflichtverletzung adäquat verursachten Schaden; die Erleichterung der Darlegungs- und Beweislast des § 287 ZPO gilt nicht. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung hat der Kläger jedoch ausreichend zu verwertbarem Vermögen der Schuldnerin vorgetragen. Er hat auf die Forderung der Schuldnerin gegen die Käuferin der G. -Aktien sowie darauf verwiesen, dass eine Pfändung von Konten der Schuldnerin möglich gewesen wäre. Eine tatrichterliche Würdigung dieses Vorbringens ist bislang unterblieben. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung brauchte der Kläger keine das Gericht bindende Reihenfolge der möglichen Gegenstände der Zwangsvollstreckung zu bilden. Sein Vortrag ging dahin, dass sowohl die Zwangsvollstreckung in die Kaufpreisforderung als auch eine Kontenpfändung Erfolg gehabt hätten. Das reicht im Rahmen der Schlüssigkeitsprüfung aus (zum Umfang der Beweislast bei alternativer Klagebegründung vgl. BGH, Urteil vom 16. Juli 2015 - IX ZR 197/14, WM 2015, 1622 Rn. 27).
IV.
Das angefochtene Urteil kann damit keinen Bestand haben. Es wird aufgehoben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, wird sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Insolvenzverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Für die erneute Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf folgende rechtliche Gesichtspunkte hin:
1. Das Berufungsgericht wird zunächst den Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Anwaltsvertrages zu klären haben.
a) Die Beklagte hat sich gegenüber dem Vorwurf des pflichtwidrigen Unterlassens von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen damit verteidigt, dass sie gegebenenfalls nicht nur für den Kläger, sondern auch für die anderen mehr als zweihundert von ihm vertretenen Gläubiger Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen die Schuldnerin hätte einleiten müssen. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in dieser Größenordnung hätten die sofortige Insolvenz der Schuldnerin zur Folge gehabt. Der Weg über die Verpfändung der Aktien und die Treuhandvereinbarung hinsichtlich des auf ein Notaranderkonto zu zahlenden Kaufpreises sei daher der bessere und sicherere Weg gewesen. Ihrer Ansicht nach war sie allen Mandanten in gleicher Weise verpflichtet. Maßnahmen, die - wie die Zwangsvollstreckung in die Kaufpreisforderung oder in Konten der Schuldnerin - dem Kläger nützen, anderen Mandanten der Beklagten aber schaden konnten, kamen daher nicht in Betracht. Der Kläger hat demgegenüber die Ansicht vertreten, die Beklagte sei vertraglich verpflichtet gewesen, ausschließlich seine, des Klägers, Interessen zu vertreten. Er hat behauptet, von den Titeln anderer Mandanten des Klägers nichts gewusst zu haben.
b) Der Rechtsanwalt ist der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten (§ 3 Abs. 1 BRAO). Die Wahrnehmung anwaltlicher Aufgaben setzt den unabhängigen, verschwiegenen und nur den Interessen des eigenen Mandanten verpflichteten Rechtsanwalt voraus (BGH, Urteil vom 8. November 2007 - IX ZR 5/06, BGHZ 174, 186 Rn. 12; BVerfG, NJW 2003, 2520, 2521). Wie der Senat bereits entschieden hat, darf der Mandant, welcher dem Anwalt die Schließung eines Anwaltsvertrages anträgt, von diesem Leitbild eines Rechtsanwalts ausgehen (BGH, Urteil vom 8. November 2007, aaO). Nimmt der Anwalt das Mandat an, erklärt er damit seine Bereitschaft, fortan die Interessen des Mandanten ohne Rücksicht auf die Interessen Dritter umfassend zu vertreten. Für konkurrierende Interessen Dritter gilt insoweit nichts anderes als für die gegenläufigen Interessen des Gegners des Mandanten (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 8. November 2007, aaO; vom 19. September 2013 - IX ZR 322/12, WM 2014, 87 Rn. 11). Will der Anwalt nur eingeschränkt für den Mandanten tätig werden, hat er dies vor Abschluss des Vertrages klarzustellen. Der Mandant kann dann selbst entscheiden, ob er dies - etwa in der Erwartung besonderer Kompetenz des Anwalts oder einer besseren Verhandlungsposition gegenüber dem Gegner - hinnehmen oder ob er einen anderen, ausschließlich seinen - des Mandanten - eigenen Interessen verpflichteten Anwalt beauftragen will. Gleiches gilt, wenn sich nachträglich Interessenkonflikte abzeichnen, die nur ein eingeschränktes Tätigwerden des Anwalts erlauben. Weder der Kläger noch die Beklagte haben bisher Tatsachen vorgetragen, aus welchen sich ein vom Regelfall abweichender Inhalt des Anwaltsvertrages ergeben könnte. Den Parteien ist Gelegenheit zu geben, ihr diesbezügliches Vorbringen zu ergänzen.
2. Je nach dem Ergebnis, zu welchem das Berufungsgericht kommen wird, könnte sich die Frage der Wirksamkeit dieses Vertrages stellen. Gemäß § 43a Abs. 4 BRAO ist es einem Rechtsanwalt verboten, widerstreitende Interessen zu vertreten. Ein Verstoß gegen das Verbot des § 43a Abs. 4 BRAO führt zur Nichtigkeit des Anwaltsvertrages (BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 - IX ZR 241/14, WM 2017, 537 Rn. 7). Widerstreitende Interessen liegen allerdings nicht schon dann vor, wenn der Rechtsanwalt sich gegenüber mehreren Mandanten verpflichtet, Forderungen gegen ein und denselben Schuldner durchzusetzen und insbesondere die Zwangsvollstreckung gegen diesen zu betreiben. In einem solchen Fall kann zwar der Erfolg des einen Mandanten den Misserfolg des anderen Mandanten, der nicht mehr zum Zuge gekommen ist, bedeuten. Das wäre aber nicht anders, wenn die Mandanten von unterschiedlichen Rechtsanwälten vertreten würden. Die Mandatsverträge verpflichten den Anwalt nur, für jeden einzelnen Mandanten das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Bevorzugt der Anwalt den einen vor dem anderen Mandanten, indem er Anträge bevorzugt oder nachrangig stellt, liegen Pflichtverletzungen im Rahmen des jeweiligen Mandatsverhältnisses vor. An den grundsätzlich miteinander zu vereinbarenden Pflichten aus den einzelnen Verträgen ändert sich durch eine solche Pflichtverletzung hingegen nichts.