Anwaltsrecht und -haftung


Belehrungspflicht des Anwalts über Rechtsmittel

OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.11.2011 - 24 U 55/11 -

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 26. Januar 2011 verkündete Urteil der 2b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf - Einzelrichterin - unter Zurückweisung der Berufung des Klägers abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

 

A.

 

Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz geltend, nachdem die Beklagte ihn in den Jahren 2007 und 2008 im Zusammenhang mit der Scheidung von seiner Ehefrau anwaltlich beraten und vertreten hat.

 

Die Ehe des Klägers war 1987 geschlossen worden. Aus der Ehe sind zwei gemeinsame Kinder hervorgegangen, der 1990 geborene Sohn B. und die 1994 geborene Tochter A.. Der Kläger ist ferner Vater der 1997 außerehelich geborenen Tochter S., für die er Unterhalt zahlt. Frau H. ist gelernte Zahntechnikerin und hatte bis zur Geburt des ersten Kindes 1990 vollzeitig in ihrem Beruf gearbeitet. Danach war sie bis zur Trennung der Eheleute im Januar 2007 Hausfrau. Seit August 2008 arbeitete sie zunächst teilschichtig, ab November 2008 vollschichtig als Verkäuferin, ab März 2010 als Kassiererin.

 

Die Beklagte vertrat den Kläger zunächst im Rahmen des Trennungs- und Kindesunterhaltsverfahrens vor dem Amtsgericht Neuss (Aktenzeichen: 48 F 43/07) und dem Oberlandesgericht Düsseldorf (Aktenzeichen: II-7 UF 70/08). Durch Teil-Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts Neuss vom 12. November 2007 wurde, beginnend mit November 2007, ein Unterhaltsanspruch für die beiden gemeinsamen Kinder in Höhe von monatlich jeweils 442,00 € tituliert.

 

Die Beklagte hat im Januar 2008 für den Kläger den Antrag auf Ehescheidung beim Amtsgericht Neuss gestellt und vertrat ihn auch in dem sich anschließenden Scheidungsverfahren vor dem Amtsgericht Neuss (Aktenzeichen 48 F 10/08), in dem die Ehefrau u.a. einen Anspruch auf Zahlung nachehelichen Unterhalts verfolgte. Der Kläger begehrte eine Begrenzung und Befristung des Ehegattenunterhalts ausgehend von einem aus seiner Sicht erzielbaren Nettoeinkommen als Zahntechnikerin in Höhe von 1.477, 53 €. Die Ehe wurde durch Urteil des Amtsgerichts Neuss vom 8. Dezember 2008 unter Durchführung des Versorgungsausgleichs geschieden.

 

In dem Urteil wurde der Kläger unbefristet zur Zahlung eines nachehelichen Unterhalts an seine frühere Ehefrau in Höhe von monatlich 740,00 € verurteilt. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das in den Beiakten befindliche Urteil verwiesen.

 

Die Beklagte leitete das Urteil des Amtsgerichts Neuss im Dezember 2008 an den Kläger weiter. Am 18. Dezember.2008 fand eine gemeinsame Besprechung des Urteils in den Kanzleiräumen der Beklagten statt. Ein Berufungsverfahren gegen das Urteil führte der Kläger nicht durch.

 

Die geschiedenen Eheleute reduzierten den nachehelichen Unterhalt zum 1. Mai 2010 im Hinblick auf eine Einkommenserhöhung der Ehefrau einvernehmlich auf 575,00 €.

 

Der Kläger hat behauptet: Die Beklagte habe ihm ausdrücklich erklärt, eine Berufung wegen des nachehelichen Unterhalts habe keine Aussicht auf Erfolg. Er habe aufgrund dieser Einschätzung der Beklagten Berufung gegen das Urteil nicht eingelegt. Ein Berufungsverfahren wäre aber, so die Ansicht des Klägers, erfolgversprechend gewesen, weil erwartet werden konnte, dass seine frühere Ehefrau in den alten Beruf zurückkehrte, so dass ein ehebedingter Nachteil und damit der Unterhaltsanspruch insgesamt entfielen.

 

Das Amtsgericht habe zudem zur Berechnung des ehebedingten Nachteils seiner geschiedenen Ehefrau ein zu hohes Einkommen von 1.690,00 € netto als fiktiven heutigen Verdienst im erlernten Beruf der Zahntechnikerin angesetzt und hiervon zudem fehlerhaft nicht die Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen abgesetzt. Das Amtsgericht habe im Rahmen der Berechnung des zur Verteilung zwischen den früheren Ehegatten vorhandenen Einkommens zudem nur einen Unterhalt von 700,00 € für die beiden gemeinsamen Kinder abgezogen. Stattdessen hätte der durch das Teil-Anerkenntnisurteil vom 12. Dezember 2007 titulierte und tatsächlich gezahlte Kindesunterhalt von insgesamt 884,00 € abgezogen werden müssen.

 

Der Kläger hat ursprünglich beantragt,

 

1. die Beklagte zu verurteilen, 8.880,00 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an ihn zu zahlen;

 

2. die Beklagte zu verurteilen, ab dem 01. Februar 2010 monatlich 740,00 € an ihn zu zahlen;

 

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihm aus anwaltlicher Fehlberatung der Beklagten in der Zeit vom 8. Dezember 2008 bis zum 15. Januar 2009 entstanden ist bzw. noch entstehen wird.

 

Der Kläger hat sodann den Antrag zu 2. ermäßigt, weil sich seine Unterhaltszahlung ab dem 1. Mai 2010 auf monatlich 575,00 € reduzierte. Er hat unter Aufrechterhaltung seiner Anträge im Übrigen beantragt,

 

2. die Beklagte zu verurteilen, ab dem 1. Februar 2010 bis zum 30. April 2010 monatlich 740,00 € und sodann fortlaufend ab dem 1. Mai 2010 monatlich 575,00 € an ihn zu zahlen.

 

Die Beklagte hat beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Sie hat behauptet, sie habe den Kläger im Rahmen des Gesprächs in ihren Kanzleiräumen über die gegen das Urteil eröffneten Rechtsmittel informiert und ihm mitgeteilt, dass sie das Scheidungsurteil des Amtsgerichts Neuss hinsichtlich des Ausspruchs zum nachehelichen Unterhalt für angreifbar halte. Sie habe klargestellt, dass sie zunächst eine globale Prüfung der Berufungsaussichten vorgenommen habe. Eine Berufung könne zunächst fristwahrend eingelegt werden, so dass dann eine genauere Einzelprüfung erfolgen könne. Sie habe dabei insbesondere darauf abgestellt, dass das Amtsgericht dem Vortrag zur zeitlichen Befristung und Begrenzung des Anspruchs der Höhe nach keine hinreichende Bedeutung beigemessen habe. Sie habe den Kläger auch darauf hingewiesen, dass zur Frage der Unterhaltsbegrenzung und -befristung angesichts des geänderten Unterhaltsrechts noch keine ausreichende höchstrichterliche Rechtsprechung vorliege, so dass im Falle einer Berufung mit der Zulassung der Revision gerechnet werden müsse.

 

Ferner habe sie den Kläger auf den ihrer Ansicht nach fehlerhaften Abzug des Kindesunterhalts bzgl. der ehelichen Kinder aufmerksam gemacht. Sie behauptet weiter, der Kläger habe sich daraufhin das Prozesskostenrisiko zweier weiterer Instanzen erläutern lassen und erklärt, dieses Risiko nicht eingehen wollen. Er habe jedoch die Absicht bekundet, das Urteil noch durch einen anderen Rechtsanwalt prüfen lassen zu wollen. Hierzu habe sie ihm ausdrücklich geraten.

 

Wegen des der Beratung zugrunde legenden Sachverhalts im Übrigen und der Schadensberechnung des Klägers wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

 

Das Landgericht hat mit seinem am 26. Januar 2011 verkündeten Urteil der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 844,50 € nebst Zinsen sowie ab dem 1. Februar 2010 monatlich 84,50 € zu zahlen. Eine Beratungspflichtverletzung sei der Beklagten nur insoweit anzulasten, als sie übersehen habe, dass das Amtsgericht das fiktive Einkommen der Ehefrau nicht um die fünfprozentige Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen gekürzt habe. Den hieraus resultierenden Schaden habe sie dem Kläger zu ersetzen. Im Übrigen sei die Beklagte ihren anwaltlichen Pflichten nachgekommen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

 

Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags mit der Berufung, mit der sie ihre jeweiligen erstinstanzlichen Anträge weiter verfolgen.

 

Der Kläger ist insbesondere der Ansicht, die Beklagte hätte ihm zur Durchführung der Berufung raten müssen, weil das von seiner geschiedenen Ehefrau fiktiv zu verdienende Einkommen zu hoch angesetzt worden sei. Außerdem hätte er sich mit Erfolg gegen den Ansatz zum Kindesunterhalt und die fehlende Befristung wenden können; auch hierüber habe ihn die Beklagte nicht genügend aufgeklärt.

 

Die Beklagte meint, das Landgericht habe die ihr obliegenden Beratungspflichten überstrapaziert; der Berechnungsfehler des Amtsgerichts hätte ihr im Rahmen der Besprechung des Urteils nicht auffallen müssen.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B.

 

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg, die der Beklagten ist dagegen begründet.

I.

 

Dem Kläger steht kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus anwaltlicher Pflichtverletzung zu. Denn der Beklagten ist keine Verletzung ihrer Pflichten aus dem mit dem Kläger geschlossenen Anwaltsdienstvertrag gemäß §§ 611ff, 675, 280f BGB anzulasten.

 

1. a) Grundsätzlich ist der Rechtsanwalt aufgrund des Anwaltsvertrages in den Grenzen des ihm erteilten Mandats (BGH MDR 1998,1378; MDR 1996, 2648 f.; vgl. auch BGH NJW 2009, 1141; Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Auflage, Rn. 482 m.w.N.) verpflichtet, die Interessen seines Mandanten nach jeder Richtung und umfassend wahrzunehmen und Schädigungen seines Auftraggebers, mag deren Möglichkeit auch nur von einem Rechtskundigen vorausgesehen werden können, zu vermeiden. Soweit der Mandant nicht eindeutig zu erkennen gibt, dass er des Rates nur in einer bestimmten Richtung bedarf, ist der Rechtsanwalt zur allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung des Auftraggebers verpflichtet. In den Grenzen des Mandats hat er dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziel zu führen geeignet sind, und Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem Auftraggeber den sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage ist (BGH WM 1993,1376; WM 2007, 419; MJW 2007,2485; WM 2008, 1560; NJW 2009, 2949). Der konkrete Umfang der anwaltlichen Pflichten richtet sich nach dem erteilten Mandat und den Umständen des einzelnen Falles (BGH WM 1996,1824; 2008, 1560). Ziel der anwaltlichen Rechtsberatung ist es, dem Mandanten eigenverantwortliche, sachgerechte (Grund-) Entscheidungen ("Weichenstellungen") in seiner Rechtsangelegenheit zu ermöglichen (BGH NJW 2009, 1949; 2007, 2485; WM 2008, 1560; Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, a.a.O., Rn. 558, 631 f.).

 

Die Verpflichtung des mit der Prozessführung erster Instanz beauftragten Rechtsanwalts, den Mandanten nach einem Instanzverlust über die Aussichten eines Rechtsmittels zu belehren, besteht danach zunächst hinsichtlich der formellen Voraussetzungen des Rechtsmittels (vgl. BHJ NJW-RR 2007,1553; WM 1989, 1826, 1827). In materieller Hinsicht ist eine Belehrungspflicht bei ohne Weiteres erkennbarer Divergenz zur höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH NJW-RR 2007, 1553; NHJZ 85, 252, 259ff; NGH WM 2002, 513,515) sowie in den Fällen anerkannt, in denen der Fehler des Urteils (auch) darauf beruht, dass der Rechtsanwalt nicht sachgerecht gearbeitet, er das unrichtige Urteil also mitverschuldet hat (BGH WM 2002,513, 515;  vgl. auch BVerwG NJW 2002,2937, 2938). Unter solchen Umständen erfordert es die vorausgegangene Pflichtwidrigkeit, den Mandanten konkret auf die Umstände hinzuweisen, die ein Rechtsmittel aussichtsreich erscheinen lassen. Dagegen gehört es ohne gesonderten Auftrag nicht zu den Aufgaben eines erstinstanzlich tätigen Rechtsanwalts, die materiellen Gründe des ggf. anzufechtenden Urteils einer eingehenden Prüfung auf ihre Richtigkeit zu unterziehen, erfolgversprechende Angriffspunkte herauszuarbeiten und sie auf ihre Revisibilität hin zu untersuchen (BGH NJW-RR 2007, 1553; WM 2003,1146; NJW 2003, 2986, 2987).

 

b) Zu den formellen Voraussetzungen eines möglichen Berufungsverfahrens hat die nur mit der Prozessführung erster Instanz beauftragte Beklagte den Kläger unstreitig zutreffend beraten.

 

Eine besondere Pflicht, den Kläger auf materielle Fehler des erstinstanzlichen Urteils hinzuweisen, hatte die Beklagte nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen nicht. Denn mögliche Angriffspunkte gegen die Unterhaltsberechnung beruhten nicht auf pflichtwidriger Prozessführung oder Beratung der Beklagten; auch stand die Unterhaltsberechnung des Amtsgerichts nicht in offenkundiger Divergenz zu obergerichtlicher Rechtsprechung. Die Beklagte durfte danach ihre Beratung danach darauf beschränken, mögliche Angriffspunkte darzustellen, die sich bei erster Durchsicht des Urteils ergaben, und die Punkte zu erörtern, die für die Unterhaltsbemessung erkennbar von zentraler Bedeutung waren. Hierbei handelte es sich insbesondere um die Frage einer möglichen Befristung des Unterhaltsanspruchs. Dagegen war die Beklagte nicht verpflichtet, die Unterhaltsberechnung des Amtsgerichts im Einzelnen nachzuvollziehen und detailliert auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.

 

Ihrer danach bestehenden begrenzten Beratungspflicht ist die Beklagte, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, nachgekommen. Der Kläger vermag in diesem Zusammenhang nicht mit seinem Vorbringen durchzudringen, die Beklagte habe einzelne Punkte mit ihm besprochen und daher den Eindruck einer vollständigen rechtlichen Überprüfung des Urteils erweckt. Denn unstreitig hat die Beklagte mit dem Kläger nur die wesentlichen für die Unterhaltsberechnung maßgeblichen Punkte erörtert und ihn ansonsten darauf verwiesen, dass eine eingehende Prüfung der Erfolgsaussichten einer Berufung eine gesonderte Beauftragung mit der entsprechenden Gebührenfolge voraussetze.

 

2. Der Beklagten ist im Zusammenhang mit der Tatsache, dass das Amtsgericht den für die beiden ehelichen Kinder des Klägers durch Teilanerkenntnisurteil titulierten Kindesunterhalt (monatlich je 442 €) nicht in voller Höhe in die Unterhaltsberechnung eingestellt hat, keine Beratungspflichtverletzung vorzuwerfen.

 

a) Wie in der Anhörung der Parteien vor dem Landgericht unstreitig geworden ist (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2010), hat die Beklagte die Abweichung zwischen dem titulierten und dem bei der Berechnung des nachehelichen Unterhalts berücksichtigten Kindesunterhalt anlässlich der Besprechung des Urteils mit dem Kläger thematisiert. Dazu, welche Auskunft sie im Hinblick darauf gegeben hat, dass das Amtsgericht nur 700 € als tatsächlich geschuldeten Kindesunterhalt bei der Berechnung des nachehelichen Unterhalts berücksichtigt hat, ist die Darstellung der Parteien allerdings nicht einheitlich.

 

Darlegungs- und beweispflichtig für eine anwaltliche Pflichtverletzung ist im Regressprozess der Anspruchsteller, dies grundsätzlich auch dann, wenn es sich um negative Tatsachen handelt (Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Auflage, Rdn. 952 m.w.N.). Das Bestreiten des Beraters ist aber nur erheblich, wenn er konkret darlegt, wie die Beratung ausgesehen hat, die er erbracht haben will. Ein Rechtsanwalt darf sich nicht damit begnügen zu behaupten, er habe den Mandanten ausreichend unterrichtet. Vielmehr muss er den Gang der Besprechung im Einzelnen schildern, insbesondere konkrete Angaben dazu machen, welche Belehrungen und Ratschläge er erteilt und wie der Mandant darauf reagiert hat (vgl. nur BGHZ 126, 217; Senat AnwBl 2011, 297; OLGR Düsseldorf 2005, 602; OLGR 2009, 602; Zugehör/Fischer, a.a.O., Rdn. 986 m.w.N.).

 

Die Beklagte hat den Kläger nach ihren Angaben dahin beraten, dass wegen des Ansatzes zum Kindesunterhalt eine Berufung möglich sei; es sei erörtert worden, ob sich ein Rechtsmittel im Hinblick auf den zu erzielenden Unterschiedsbetrag lohne. Zudem könne zum Kindesunterhalt ein Abänderungsverfahren geführt werden. Damit hat sie ihrer sekundären Darlegungslast genügt. Entgegen der Auffassung des Klägers kann nicht unterstellt werden, dass er dahin beraten worden ist, ein niedrigerer Ansatz zum Kindesunterhalt bei der Unterhaltsberechnung sei nur im Wege der Abänderungsklage zum Kindesunterhalt zu erreichen.

 

b) Die von der Beklagten erteilte Beratung war zutreffend und genügend. Eine weitergehende Beratung schuldete sie im Hinblick auf den Ansatz zum Kindesunterhalt nicht.

 

Grundsätzlich ist die Höhe des bei der Bedarfsermittlung zu berücksichtigenden Kindesunterhalts danach zu bemessen, wie er sich aus materiellem Recht ergibt (BGH NJW 1990, 3020; Eschenbruch, Der Unterhaltsprozess, 5. Auflage, Ziffer 1 Rdn. 742); der unterhaltsberechtigte Ehegatte muss sich insbesondere freiwillige Mehrzahlungen auf den Kindesunterhalt nicht ohne Weiteres unterhaltsmindernd entgegen halten lassen. In welcher Höhe der Unterhalt des Kindes tituliert ist, ist im Regelfall ohne Bedeutung, denn es kann davon ausgegangen werden, dass bei Abweichungen von der materiellen Rechtslage die Abänderung des Titels möglich ist (dazu näher unten). Eine Ausnahme hat der Bundesgerichtshof zwar für den Fall anerkannt, dass ein höherer als der nach der materiellen Rechtslage geschuldete Unterhalt aufgrund eines Titels bereits während der Ehe mehrere Jahre lang tatsächlich gezahlt worden war und diese Verbindlichkeit daher die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hatte (vgl. BGH, a.a.O. m.N.). Eine derartige Prägung war hier aber nicht gegeben. Das Teilanerkenntnisurteil zum Kindesunterhalt ist erst etwa ein Jahr nach der Trennung der Eheleute im Dezember 2007 ergangen; die ehelichen Verhältnisse waren daher nicht durch die Zahlung überhöhten Kindesunterhalts geprägt. Das Amtsgericht hat mithin zutreffend den Kindesunterhalt entsprechend der zum Entscheidungszeitpunkt gegebenen materiellen Rechtslage bei der Berechnung des nachehelichen Unterhalts berücksichtigt.

 

Richtig war es zudem, dass der Kläger für die Zeit ab Rechtskraft der Scheidung auch eine Abänderungsklage zum Kindesunterhalt hätte erheben können. Denn die Verhältnisse hatten sich insoweit geändert, als der Kläger bei Abgabe des Anerkenntnisses von einer Unterhaltsverpflichtung gegenüber drei Berechtigten - seinen drei Kindern - ausgegangen war, während er zum Ehegattenunterhalt Klageabweisung beantragt hatte, er folgerichtig den Kindesunterhalt entsprechend seinem tatsächlichen Einkommen nach Gruppe 11 ohne eine Herabstufung anerkannt hatte. Ausgehend von einer Verpflichtung gegenüber vier Berechtigten, wie sie aufgrund des Urteils zum nachehelichen Unterhalt gegeben war, war jedoch eine Herabstufung gerechtfertigt.

 

c) Dem Kläger ist schließlich durch die von dem Amtsgericht gewählte Berechnungsweise zur Berücksichtigung des Kindesunterhalts im Ergebnis kein Nachteil entstanden.

 

Hängt im Regressprozess die Frage, ob eine für einen Schaden kausale Pflichtverletzung des Rechtsanwalts vorliegt, vom hypothetischen Ergebnis des Ausgangsverfahrens ab, muss das Regressgericht selbst prüfen, wie jenes Verfahren richtigerweise zu entscheiden gewesen wäre. Dabei ist der Sachverhalt zugrunde zu legen, der auch dem Ausgangsgericht zur Entscheidung vorgelegt worden wäre. Die Darlegungs- und Beweislast im Regressprozess richtet sich grundsätzlich nach der Darlegungs- und Beweislast im Ausgangsverfahren (vgl. BGHZ 163, 223; BGHZ 133, 110, 111; Senat FamRZ 2010, 392).

 

Die Unterhaltsberechnung des Amtsgerichts enthält verschiedene Unrichtigkeiten, die sich zu Gunsten des Klägers ausgewirkt haben. Unter Berücksichtigung der ohnehin erfolgten Deckelung des Unterhalts auf 740 € hätte daher auch eine Neuberechnung des Unterhalts, wie sie in der Berufungsinstanz vorgenommen worden wäre, keinen geringeren nachehelichen Unterhalt ergeben.

 

So ist der Unterhalt für S. weiterhin mit dem Tabellenbetrag (441 € = Tabellenbetrag nach Stufe 2, Gruppe 11 der DT 2007) in die Berechnung eingestellt worden; tatsächlich hätte nach Inkrafttreten der Unterhaltsrechtsreform zum 1. Januar 2008 nur noch der Zahlbetrag abgezogen werden dürfen (vgl. BGH NJW 2009,2523). Zudem hat das Amtsgericht bei der Ermittlung des Einkommens des Klägers die PKW-Nutzung mit nur 250 € angesetzt, während die Parteien in dem vor dem Oberlandesgericht zum Trennungsunterhalt geschlossenen Vergleich vom 23. Oktober 2008 (II-7 UF 70/08 OLG Düsseldorf) mit dem erkennenden Familiensenat davon ausgegangen sind, dass sich bei Ansatz eines PKW-Nutzungsvorteils von zunächst 200 € im Hinblick auf die Übernahme der Benzinkosten für Privatfahrten der Unterhaltsanspruch selbst um 50 € erhöht.

 

Dass die Beklagte dem Kläger im Hinblick auf die Höhe des errechneten Unterhalts nicht zu einer Berufung geraten hat, stellt sich vor diesem Hintergrund auch im Ergebnis als richtig dar.

 

3. Die Beklagte hätte dem Kläger auch nicht deshalb zu einer Berufung raten müssen, weil das Amtsgericht das fiktive, von der Ehefrau des Klägers bei durchgehender Erwerbstätigkeit als Zahntechnikerin zu erzielende Einkommen und damit deren ehebedingten Nachteil zu hoch angesetzt habe.

 

Das Amtsgericht ist davon ausgegangen, die Ehefrau hätte bei Fortführung ihrer Berufstätigkeit als Zahntechnikerin zwischenzeitlich ein Nettoeinkommen von rund 1.690 € (brutto 2.650 €) erzielen können. Hierbei hat es in nicht zu beanstandender Weise statistische Angaben zum Durchschnittseinkommen der fraglichen Berufsgruppe herangezogen und berücksichtigt, dass die Ehefrau hieran gemessen bei Aufgabe ihrer Erwerbstätigkeit überdurchschnittliche Einkünfte erzielt hatte. Der so von dem Amtsgericht ermittelte Wert war nicht weit von dem des Klägers selbst entfernt, der vorgetragen hatte, dass die Ehefrau bei durchgehender Erwerbstätigkeit nicht mehr als brutto 2.200 € bis 2.400 € verdienen würde (48 F 10/08 UE AG Neuss); dass dieser Vortrag von der Beklagten fehlerhaft in den Rechtsstreit eingeführt worden ist, ist nicht ersichtlich. Vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Bemessung des potentiell von einem Ehegatten bei nicht unterbrochener Erwerbstätigkeit zu erzielenden Einkommens aufgrund der erforderlichen fiktiven Fortschreibung der Verdienstentwicklung um eine Schätzung und nicht um ein mathematisch exaktes Verfahren handelt, bewegte sich der Ansatz des Amtsgerichts noch in einem Rahmen, der die Unterhaltsberechnung nicht als offenkundig für den Kläger nachteilig erscheinen ließ. Hinzu kommt, dass eine Auseinandersetzung mit der von dem Amtsgericht vorgenommenen Schätzung eine eingehende, von der Beklagten nicht geschuldete Prüfung bedingt hätte; dies belegen schon die umfangreichen, durch Vorlage von Datenmaterial zur Einkommensentwicklung bei Zahntechnikern gestützten Ausführungen des Klägers zu dieser Frage.

 

Entsprechendes gilt bezüglich des Umstands, ob der Ehefrau die Verletzung ihrer Erwerbsobliegenheit anzulasten war. Auch hierzu war die Beklagte zu einer Beratung nicht verpflichtet, weil das erstinstanzliche Urteil insoweit jedenfalls keine offenkundige Unrichtigkeit aufwies.

 

Im Übrigen ist das Urteil des Amtsgerichts in diesem Punkt und auch zu der Billigkeitsabwägung betreffend eine Begrenzung und Befristung insgesamt auch der Sache nach nicht zu beanstanden; hierzu wird auf die umfassenden und zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil verwiesen.

 

4. Der Beklagten ist auch keine Pflichtverletzung anzulasten, weil sie den Kläger nicht darauf hingewiesen hat, dass das Amtsgericht das fiktive Einkommen der Ehefrau ohne Abzug der Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen in die Berechnung eingestellt hat.

 

Die Beklagte hat das von der Ehefrau zu erzielende Einkommen zutreffend abzüglich berufsbedingter Aufwendungen errechnet (vgl. 48 F 10/08 UE AG Neuss). Sie hat mithin das Ausgangsverfahren auch insoweit zutreffend geführt, so dass ihr keine vertiefte Prüfung oblag. Im Rahmen der damit von ihr allein geschuldeten Überprüfung der Eckpunkte der Unterhaltsberechnung musste ihr aber der fehlende Abzug der Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen nicht auffallen. Es handelte sich hierbei um einen bloßen Rechnungsposten ohne erhebliche Bedeutung.

 

5. Zutreffend war schließlich auch die Beratung der Beklagten zum Thema einer möglichen Befristung des Anspruchs auf Zahlung nachehelichen Unterhalts.

 

Eine grundsätzliche höchstrichterliche Klärung der Voraussetzungen, unter denen nachehelicher Unterhalt zu befristen war, stand nach der Anfang 2008 in Kraft getretenen Unterhaltsrechtsreform zum Zeitpunkt der Beratung - Ende 2008 - noch aus. Hierauf und auf den Umstand, dass insoweit eine Berufung, ggf. auch eine Revision möglich sei, die indes der Zulassung bedurft hätte, hat die Beklagte den Kläger zutreffend hingewiesen. Nicht zu beanstanden war im Übrigen auch die von dem Kläger wiedergegebene Einschätzung der Beklagten, die Aussichten, im Berufungsverfahren eine Befristung zu erreichen, seien eher gering.

 

Der Bundesgerichtshof hatte seinerzeit zur Frage einer Befristung des nachehelichen Unterhalts mit Urteil vom 16. April 2008 - XII ZR 107/06 - (BGH FamRZ 2008, 1325) folgendes ausgeführt:

 

"Schon die im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts geltende Rechtslage sah in § 1573 Abs. 4 BGB a.F. und in § 1578 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB a.F. eine Möglichkeit zur zeitlichen Begrenzung des Aufstockungsunterhalts vor, soweit insbesondere unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe sowie der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig war. Bei der Subsumtion unter diese Ausnahmetatbestände hat der Senat in seiner neueren Rechtsprechung nicht mehr entscheidend auf die Ehedauer, sondern darauf abgestellt, ob sich eine nacheheliche Einkommensdifferenz, die den Anspruch auf Aufstockungsunterhalt begründen könnte, als ein ehebedingter Nachteil darstellt, der einen dauerhaften unterhaltsrechtlichen Ausgleich zugunsten des bedürftigen Ehegatten rechtfertigen kann. Schon nach dieser früheren Rechtslage bot der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 a. F. deswegen keine - von ehebedingten Nachteilen unabhängige - Lebensstandardgarantie i.S. einer fortwirkenden Mitverantwortung. War die nacheheliche Einkommensdifferenz nicht auf ehebedingte Nachteile, sondern darauf zurückzuführen, dass beide Ehegatten schon vorehelich infolge ihrer Berufsausbildung einen unterschiedlichen Lebensstandard erreicht hatten, konnte es im Einzelfall dem unterhaltsberechtigten Ehegatten nach einer Übergangszeit zumutbar sein, auf einen Lebensstandard nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu verzichten und sich statt dessen mit dem Lebensstandard zu begnügen, den er auch ohne die Ehe erreicht hätte (Senatsurteil vom 14. November 2007 - XII ZR 16/07 - FamRZ 2008, 134, 135;; zur Entwicklung der Rechtsprechung vgl. Dose DamRZ 2007, 1289, 1924 f.)".

 

Diese Rechtsprechung ist in die Neuregelung des § 1578 b BGB zum 1. Januar 2008 eingeflossen. Nach § 1578 b Abs. 2 BGBist der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege und Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche ehebedingten Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben. Maßgebend ist deswegen darauf abzustellen, ob im Zeitpunkt der Entscheidung des Tatrichters ehebedingte Nachteile absehbar sind."

 

In der Folgezeit hat der Bundesgerichtshof die so beschriebenen Grundsätze zur Begrenzung und Befristung des Ehegattenunterhalts fortgeschrieben und dabei weiterhin als maßgeblich betont, ob und inwieweit dem unterhaltsberechtigten Ehegatten ehebedingte Nachteile entstanden sind (vgl. hierzu die Darstellung bei Eschenbruch/Schürmann, a.a.O., Ziffer 1 Rdn. 1024 ff; ferner BGH MDR 2011, 1235).

 

Das Amtsgericht hat seine Ablehnung, eine Befristung auszusprechen, im Einklang mit dieser Rechtsprechung auf die zutreffende Tatsache gestützt, dass die Ehefrau des Klägers durch die Aufgabe der Erwerbstätigkeit und die Übernahme der Kinderbetreuung erhebliche, fortwirkende und in überschaubarer Zeit nicht aufzuholende ehebedingte Nachteile erlitten hatte. Vor diesem Hintergrund hätte ein Versuch, in einem Rechtsmittelverfahren eine Befristung zu erreichen, wenig Aussicht auf Erfolg gehabt.

 

II.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1m 97 Abs. 1 ZPO.

 

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

 

Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen, § 543 Abs. 2 ZPO.