Im Rahmen der privaten Unfallversicherung sind für die Feststellung von Invalidität und daraus möglichen Leistungen Fristen vorgegeben und ist eine bestimmte Form (nämlich die schriftliche
Feststellung der Invalidität durch einen Arzt) vorgesehen. Zeigt der Versicherungsnehmer der Versicherung einen Unfall an und belehrt der Versicherer den Versicherungsnehmer gem. § 186 VVG über
die Voraussetzungen und einzuhaltenden Fristen für einen möglichen Anspruch, geht ein Fristversäumung zu Lasten des Versicherungsnehmers. Nur ausnahmsweise kann sich der Versicherungsnehmer auf
eine Treuwidrigkeit berufen, wenn dem Versicherer deutlich wird, dass der Versicherungsnehmer noch Belehrungsbedarf hat, so wenn er Unterlagen einreicht, die zwar auf eine Invalidität deuten,
nicht aber die schriftliche Feststellung derselben durch einen Arzt beinhalten; in diesem Fall muss der Versicherer noch einmal belehren, da ansonsten die Berufung auf den Fristablauf
rechtsmissbräuchlich ist. Zu beachten ist auch, dass eine erst nach Fristablauf festgestellte Invalidität keinen Anspruch gegen den Versicherer rechtfertigt.
OLG Dresden, Hinweisbeschluss vom 18.07.2024 - 4 U 266/24 –
In Ermangelung einer anderweitigen Vereinbarung der Parteien sind Zusatzleistungen zum VOB/B-Werkvertrag für erforderliche Zusatzleistungen nach § 2 Abs. 5 VOB/B, für nicht erforderliche
Zusatzleistungen nach § 2 Abs. 6 VOB/B zu vergüten. Abzugrenzen ist die Zusatzleistung im Rahmen von § 2 Abs. 6 VOB/B von Zusatzleitungen, die für ein anderes Bauwerk als im Werkvertrag
vorgesehen vereinbart werden, da dann ein Folgeauftrag vorliegt, der mangels Vergütungsvereinbarung nach § 631, 632 Abs. 2 BGB zu vergüten ist.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.07.2024 - 22 U 96/23 -
Auf den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch sind die Vorschriften der §§ 249 ff BGB nicht anwendbar, da die Grundsätze der Enteignungsentschädigung gelten. Allerdings umfasst der
nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB auch keine Umsatzsteuer, wenn die Abrechnung nur fiktiv erfolgt. In Fällen der Kompensation sind Gründe nicht ersichtlich, über die
für Schadensersatzansprüche geltenden Regelungen (§§ 249 ff BGB) hinaus eine noch nicht eingetretene Vermögenseinbuße auszugleichen.
OLG Zweibrücken, Urteil vom 20.08.2024 - 8 U 47/24 -
Fehlt es für eine behauptete Vorauszahlungsvereinbarung bei einem Grundstückskauf an dem Formerfordernis der notariellen Protokollierung, ist sie nichtig (§ 311b Abs. 1 S. 1 BGB iVm. § 125 S. 1
BGB). Damit gilt nach § 139 BGB die Vermutung, dass der gesamte Vertrag nichtig ist. Die Auslegungsregel kann bei Vorliegen besonderer Umstände widerlegt werden. Weist der Käufer seine Zahlung
auf die noch nicht bestehende Kaufpreisforderung nach, ist die Schlussfolgerung gerechtfertigt, dass sich die Parteien auch ohne die Abrechnungsabrede auf den beurkundeten Teil des
Rechtsgeschäfts eingelassen hätten; entscheidend ist, dass der Käufer aus seiner Sicht zweifelsfrei nachweisen kann, vor Vertragsschluss auf die noch nicht bestehende Kaufpreisschuld gezahlt zu
haben.
Bei der Zweitwohnungssteuer, die Gemeinden aufgrund satzungsrechtlicher Regelung erheben können, handelt es sich um eine örtliche Aufwandssteuer iSv. Art. 105 Abs. 2a GG (BVerfG, Beschluss vom
06.12.1983 - 2 BvR 1275/79 -). Sie fällt nach den satzungsrechtlichen Regelungen an, wenn ein Einwohner eine melderechtlich (§ 3 BMG) als Zweitwohnung dienende Wohnung inne hat.
Zu den notwendigen, als Werbungskosten berücksichtigungsfähigen Mehraufwendungen zählen u.a. die notwendigen Unterkunftskosten am Beschäftigungsort (so die Kaltmiete, bei einer Eigentumswohnung
die Absetzungen für Abnutzung (AfA) auf die Anschaffungs- und Herstellungskosten sowie Zinsen für Fremdkapital, die Betriebskosten einschließlich von Stromkosten). Diese Kosten sind mit einem
Höchstbetrag von € 1.000/Monat bei der Einkommensteuer des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen. Die Zweitwohnungssteuer berechnet sich nach dem jährlichen Mietaufwand, die der Steuerpflichtige
für die Benutzung der Wohnung aufgrund vertraglicher Vereinbarungen zu erbringen hat, bzw., liegt dies unter der ortsüblichen Miete oder wird z.B. Eigentum genutzt, nach der ortsüblichen Miete.
Sie ist ratierlich zu zahlen und damit von dem Höchstbetrag von € 1.000,00/Monat (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 4 EStG) erfasst.
Die Gebühren auch des Nebenintervenienten richten sich nach dem Streitwert. Tritt der Nebenintervenient nur zu einem abgrenzbaren Teil des Rechtsstreits bei, ist der Streitwert der
Nebenintervention gesondert festzustellen und ist geringer als der Hauptsachestreitwert. Tritt er trotz eingrenzbaren Interesse dem Rechtsstreit nicht nur zu einem bestimmten Teil bei, so
entspricht der Streitwert der Hauptsache dem Streitwert der Nebenintervention. Dass kann dadurch vermieden werden, dass der Streitverkünder die Streitverkündung auf einen bestimmten Teil des
Verfahrens beschränkt, soweit dies möglich.
OLG München, Beschluss vom 03.04.2024 - 9 W 421/24 Bau e -)
Bei gewerblich genutzten Fahrzeugen ist Nutzungsentschädigung nur zu zahlen, wenn das Fahrzeug nicht unmittelbar den Gewerbeertrag steigert (in diesem Fall besteht Anspruch auf entgangenen
Gewinn), durch den Ausfall aber einen fühlbarer wirtschaftlicher Nachteil eingetreten ist. Eine abstrakte oder an den Kosten der Vorhaltung eines Ersatzfahrzeuges berechnete Entschädigung
scheidet aus.
Vorhaltekosten können nur geltend gemacht werden, wenn für den Fall des Ausfalls eines Fahrzeuges ein Ersatzfahrzeug gehalten wird.
Wird das beschädigte Fahrzeug gewerblich genutzt als auch (z.B. durch Überlassung an einen Mitarbeiter aufgrund der 1%-Regelung) privat (gemischte Nutzung), kann eine Nutzungsausfallentschädigung
nur von dem Berechtigten der privaten Nutzung im Umfang der privaten Nutzung, die darzulegen ist, verlangt werden.
LG Saarbrücken, Urteil vom 16.05.2024 - 13 S 82/23 -
Im Erbscheinverfahren wird vom Nachlassgericht geklärt, auf wen der Erbschein ausgestellt wird. Der Erbschein beinhaltet nur die Vermutung, dass dem dort Benannten das Erbrechts zukommt (§ 2365
BGB), weshalb der rechtskräftigen Entscheidung keine formelle und materielle Bindungswirkung zukommt. Es kann nach dem Erbscheinverfahren jederzeit noch eine Erbenfeststellungsklage erhoben
werden, wobei das Prozessgericht von der Entscheidung des Nachlassgerichts im Erbscheinverfahren abweichen kann.
Erhebt der im Erbscheinverfahren unterlegene Antragsteller gegen den Beschluss wegen Verletzung rechtlichen Gehörs Verfassungsbeschwerde, ist diese ohne vorherige Erbenfeststellungsklage im
Hinblick auf die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (§ 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG) unzulässig.
BVerfG, Beschluss vom 13.07.2024 - 1 BvR 1929/23 -
Nach § 27 Abs. 2 WEG (in der seit 01.12.2020 geltenden Fassung) können die Wohnungseigentümer nunmehr die gesetzlichen Rechte und Pflichten des Verwalters für das Innenverhältnis nach § 27 Abs. 1
WEG einschränken und erweitern. Soweit sie nach § 19 Abs. 1 WEG in Angelegenheiten der ordnungsgemäßen Verwaltung durch Beschluss entscheiden dürfen, können sie gem. § 27 Abs. 2 WEG ihre
Entscheidungskompetenz auf den Verwalter übertragen.
Aus dem Gesetz ergibt sich, dass es nicht ordnungsgemäßer Verwaltung widerspricht, wenn die Wohnungseigentümer dem Verwalter über die ihm bereits durch Gesetz (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG) eingeräumten
Aufgaben und Befugnisse hinaus weitreichender auch die Kompetenz übertragen, Maßnahmen ordnungsgemäßer Verwaltung zu treffen, die übergeordnete Bedeutung haben oder zu erheblichen Verpflichtungen
der GdWE führen.
Entscheidungsmaßstab für den Verwalter sei, unabhängig davon, ob er im eigenen Kompetenzbereich oder im delegierten Kompetenzbereich tätig wird, der Maßstab der ordnungsgemäßen Verwaltung.
Hier: Zum beschlossenen Ausbau der Fenster wurde dem Verwalter die Einholung von drei Angeboten und ein Maximalbetrag an Kosten vorgegeben worden. Damit sind die wesentlichen Entscheidungen
über die Durchführung der Instandsetzungsmaßnahme und der Finanzierung getroffen worden. Die Auftragsvergabe und die Durchführung im Einzelnen habe ohne weiteres auf den Verwalter delegiert
werden können.
Wird dem Mieter wegen Zahlungsrückstand gekündigt und zieht er nach Erhebung der Räumungsklage, gegen die er sich noch schriftsätzlich verteidigt hatte, aus, so ist in dem Auszug wegen der
vielfältigen Gründe für einen Auszug kein freiwilliges Nachgeben und akzeptieren der Auffassung des Klägers zu sehen.
Nach der überwiegenden Auffassung ist bei einer fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB eine offene Betriebskostenabrechnung nicht hinzuzuaddieren. Erklären
die Parteien nach dem Auszug übereinstimmend die Hauptsache für erledigt, so ist – so der BGH – die schwierige Rechtsfrage nicht geklärt (und vom BGH im Rahmen einer Entscheidung nach § 91a ZPO
nicht zu klären), ob die offenen Betriebskosten (stützt sich der Vermieter zur Begründung seiner Kündigung auch auf diese) mit berücksichtigt werden müssen oder nicht und sind die Kosten des
Räumungs- und Herausgabeverfahrens deshalb gegeneinander aufzuheben, wenn der Mietrückstand alleine nicht die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 Nr. 3 BGB erfüllt.
Ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft verwalterlos, kann ein Antrag auf Bestellung eines Verwalters durch einstweilige Verfügung gestellt werden. Der Verfügungsgrund der Dringlichkeit ist
darzulegen und glaubhaft zu machen; es muss also ein dringender Bedarf bestehen, dass im Eilverfahren ein Verwalter vom Gericht berufen wird.
Legen die Antragsgegner gegen ein auf Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ergangenes Urteil Berufung ein, ist dieses wegen Selbstwiderlegung der Dringlichkeit vom Berufungsgericht
aufzuheben, wenn noch nach Monaten die Verfügung nicht umgesetzt und der Verwalter nicht zur Tätigkeit aufgefordert wurde.
Obiter dictum: Eine Verwalterbestellung durch einstweilige Verfügung ist auf ein Jahr zu befristen.
LG Karlsruhe, Urteil vom 01.12.2023 - 11 S 12/23 -
Bestimmt wird der von der Rechtskraft umfasste Streitgegenstand vom Klageantrag, in dem sich die vom Kläger für sich in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und dem Lebenssachverhalt,
aus dem der Kläger die Rechtsfolge herleitet. Das gilt unabhängig davon, ob diese einzelnen Tatsachen des Lebenssachverhaltes von den Parteien vorgetragen wurden oder nicht, ferner
unabhängig davon, ob die Parteien nicht vorgetragene Tatsachen bereits kannten und hätten vortragen können.
Die Rechtskraft beschränkt sich auf den unmittelbaren Streitgegenstand, also die Rechtsfolge, die aufgrund eines bestimmten Lebenssachverhalts am Schluss der mündlichen Verhandlung den Gegenstand
der Entscheidung bildet. Nicht erfasst werden einzelne Urteilselemente, tatsächliche Feststellungen und rechtliche Folgerungen, auf denen die Entscheidung aufbaut. Feststellungen von
präjudiziellen Rechtsverhältnissen oder sonstigen Vorfragen nehmen als bloße Urteilselemente damit nicht an der Rechtskraft teil. Die Feststellung der fehlenden Aktivlegitimation ist ein
Urteilselement, welches and er Rechtskraft nicht teilnimmt.
Tritt der Anspruchsinhaber seinen Anspruch an einen Dritten ab, wird dessen Klage wegen fehlender Aktivlegitimation zurückgewiesen, so wird gleichwohl über den Lebenssachverhalt entschieden, wenn
sich nicht aus dem Tenor oder den Gründen ein Vorbehalt ergeben sollte.
Lässt sich ehemalige Anspruchsinhaber den Anspruch (nach Zurückweisung der Klage des Zessionars) zurückabtreten, und wird nunmehr die ehemalige Zession an den Zessionar als wirksam angesehen,
dann ist die Klage des ehemaligen Anspruchsinhabers auch abzuweisen, da ihr die Rechtskraft des Urteils aus dem Vorprozess entgegensteht.
Den Versicherungsnehmer trifft nach einer besonderen schriftlichen Belehrung über die Folgen von Falschangaben die Obliegenheit zur wahrheitsgemäßen Beantwortung von zulässigen Fragen. Ein
Verstoß dagegen stellt sich als Obliegenheitspflichtverletzung dar.
Wird der Versicherungsnehmer nach einem Diebstahl (hier: Quad) gefragt, ob er bereits eine Vermögensauskunft abgegeben habe, und verneint er dies wahrheitswidrig, liegt eine unrichtige Angabe
vor. Eine arglistige Obliegenheitspflichtverletzung ist dabei anzunehmen, wenn er vorsätzlich mit der unrichtigen Angabe bewusst gegen die Interessen des Versicherers verstößt, da er damit
rechnet, dass diese Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalles oder die Leistungspflicht des Versicherers oder deren Umfang hat oder haben kann.
Gerade bei Diebstählen sind die finanziellen Verhältnisse des Versicherungsnehmers von besonderer Bedeutung für einen Versicherer, weshalb es sich hier um eine zulässige Frage handelt.
OLG Dresden, Hinweisbeschluss vom 18.04.2024 - 4 U 67/24 -
Erscheint ein Zeuge trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht zum Termin, können ihm gem. § 380 Abs. 1 ZPO die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt werden. Dazu zählen auch die durch
einen neuen Termin notwendig werdenden Kosten.
Für die Festsetzung der gegen den Zeugen bei seinem Ausbleiben zum Termin zu tragenden Mehrkosten greift die dem Kostenfestsetzungsverfahren prägende Grundregel, dass nur die Kosten zu erstatten
sind, die zur zweckentsprechenden Wahrung von Rechten der Partei notwendig sind (§ 91 Abs. 1 S. 2 ZPO).
Handelt es sich bei dem Prozessbevollmächtigten einer Partei um einen ausländischen, in Deutschland zugelassenen und von seiner Kanzleipflicht in Deutschland entbundenen Rechtsanwalt, der die
ebenfalls dort im Ausland wohnende Partei vertritt, sind seine Reisekosten für die Teilnahem an dem neuen Termin (insbesondere auch zur Beweisaufnahme) notwendige Kosten und grds. vom Zeugen zu
tragen (hier-Flugkosten von € 1.000,00).
OLG Bamberg, Beschluss vom 01.03.2024 - 2 W 39/23 -
Mit dem Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) wurde auch § 28 Abs. 5 WEG a.F., nach dem es zur Jahresabrechnung und zum Wirtschaftsplan eines Beschlusses der Wohnungseigentümer bedurfte
geändert. Nach dem heutigen § 28 WEG sind ist zum nur noch über die Vorschüsse ein Beschluss zu fassen, entsprechend zur Jahresabrechnung nur noch ein Beschluss über die in den Einzelabrechnungen
ausgewiesenen Nachschüsse oder die Anpassung der beschlossenen Vorauszahlungen (Abrechnungsspitzen).
Bereits mit Beschluss vom 25.10.2023 - V ZB 9/23 - zu einem Beschluss über einen Wirtschaftsplan entschied der BGH, dass dieser normgerecht dahingehend auszulegen ist, dass nach Inkrafttreten von
§ 28 Abs. 1 S. 1 WEG n.F entsprechend dieser Norm nur über die Vorschüsse ein Beschluss gefasst werden sollte, auch wenn nach dem Wortlaut zugleich der Wirtschaftsplan genehmigt wurde. Daran
anschließend entschied der BGH nunmehr zur Jahresabrechnung, dass nicht das Zahlenwerk als solches genehmigt wurde, sondern nur entsprechend der gesetzlichen Vorgabe ein Beschluss über die
Abrechnungsspitze gefasst wurde, auch wenn nach dem Wortlaut des Beschlusses „die Gesamtabrechnung und die daraus resultierenden Einzelabrechnungen des Hausgeldes“ genehmigt wurden.