Kommentar

Kein vertrauensschutz des Vermieters auf die Rechtsprechung

Besprechung zum Urteil des BGH vom 18.03.2015 - VIII ZR 242/13 -

von RA R. Niehus


Die doch sehr mieterfreundliche Rechtsprechung ist letztlich jedem Vermieter bewusst. Es geht um den Verbraucherschutz. Dies nun unabhängig davon, ob nun im Einzelfall tatsächlich der Mieter gegenüber einem Vermieter mehr schutzwürdig sein muss als ein Vermieter gegenüber seinem Mieter. So kann man sich angesichts der doch mehr verallgemeinernden, theoretische Fundamente aufbauenden Gesetzgebung und Rechtsprechung nicht wundern, dass offenbar der Vermieter immer mit einem Großvermieter gleichgesetzt wird, der Mieter mit einem unwissenden, sich allein überlassenden und unerfahrenen Individuum.


Aber so sehr der Vermieter auch bemüht ist, seine Verträge der insbesondere durch die Rechtsprechung geprägten Rechtslage anzupassen  -  er schafft es einfach nicht. Dies nicht deshalb, da er versucht, diese Rechtslage noch zu seinen Gunsten abzuändern. Nein. Es ist ihm schon deshalb nicht möglich, da es eine Rechtsprechung, die Klarheit schafft, nur selten gibt.


Eine solche Rechtslage hat nun aber tatsächlich der für Mietsachen zuständige Senat des BGH mit seinem Urteil vom 18.03.2015 – VIII ZR 242/13 -  geschaffen. Zur Schönheitsrenovierung hat er die Quotenabgeltungsklauseln rundweg für nichtig angesehen.


Es war ein langer Weg dahin, begleitet von den Versuchen auf Vermieterseite, es der jeweiligen Rechtsauffassung des BGH recht zu machen:


In seinem Urteil vom 23.06.2004 – VIII ZR 361/03 – hat der BGH zum Ausdruck gebracht, dass ein Verknüpfen der Renovierungspflicht an starre Fristen unwirksam sei. Im Urteil vom 05.03.2008 – VIII ZR 95/07 – hat der Senat festgehalten, dass es unzulässig wäre, bei angelaufenen Renovierungszeiten für den Fall der Beendigung des Mietvertrages zu vereinbaren, dass der Mieter hier einen zeitanteiligen finanziellen Ausgleich vornehmen müsse; hier reklamierte der BGH (bereits in Abänderung seiner bisherigen Rechtsprechung, so Urteil vom 03.06.1998 – VIII ZR 317/97 – und auch noch vom 06.10.2004 – VIII ZR 215/03 -), die Berechnung sei nicht hinreichend klar und verständlich. In seiner Entscheidung vom 22.01.2014 – VIII UR 352/12 – hat er eine Quotenabgeltungsklausel verworfen, die einen Fall einer (teilweise) unrenoviert überlassenen Wohnung betraf, da hier die letztlich Kosten des Vermieters in Ansehung der bei Bezug vorhandenen Gebrauchsspuren mit auf den Mieter überwälzt werden.  Allerdings hat der BGH bereits in dieser Entscheidung angedeutet, dass Bedenken gegen die Quotenklausel insgesamt bestehen könnten, da für den Mieter bei Mietvertragsabschluss nicht ersichtlich sei, „welcher hypothetischen Nutzungsdauer bei "normaler" Nutzung der bei Beendigung des Mietverhältnisses bestehende Abnutzungsgrad der einzelnen Wohnräume entspricht und ob darüber hinaus eine empirische Prognose über den (hypothetischen) Zeitpunkt des voraussichtlich eintretenden Renovierungsbedarfs bei unterstellter Fortdauer des tatsächlichen Nutzungsverhaltens des Mieters zuverlässig möglich ist oder ob dies nicht vielmehr einer Fiktion gleichkommt“. Genau aus diesem Grund hat nunmehr der BGH die Qutenabgeltungsklausel mit Urteil vom 18.03.2015 verworfen.


In seinem Urteil vom 05.03.2008 hat der Senat expressis verbis ausgeführt, ein Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen genieße in Ansehung der höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich keinen Vertrauensschutz, da es sich hier nicht um Gesetzesrecht handele und der Rechtsprechung damit keine vergleichbare Rechtsbindung zukäme.  Der Verwender „wird in der Regel nicht dadurch in seinem schutzwürdigen Vertrauen beeinträchtigt, dass eine Klausel geraume Zeit unbeanstandet geblieben ist und erst nach Jahren gerichtlich für unwirksam erachtet wird“ (BGH aaO., im Anschluss an BGH im Urteil vom 18.06.1996 – IX ZR 69/95 -).


Das Common Law beruht in seinen Grundlagen auf Rechtsprechung. Entscheidend sind Präzedenzfälle. Damit unterscheidet sich das (insbesondere) englische Rechtssystem von dem deutschen, welches auf der Grundlage geschriebener Normen beruht. Dies wird zwar vom BGH ersichtlich gesehen, in seiner Bedeutung aber auch verkannt. Da das normative recht nicht ausreichend ist, einen bestimmten Sachverhalt zu beurteilen, bedarf es der Auslegung und Bestimmung. Dies hat die Rechtsprechung zu bewirken. Damit aber kommt der Judikatur eine ähnliche Bedeutung zu wie jener im englischen Rechtsraum. Dies zu negieren überzeugt nicht und begründet eine Rechtsunsicherheit, die gerade mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar ist.


Man erinnert sich an Friedrich d.Gr., der  - erzürnt über eine Rechtsauslegung des Reichskammergerichts in einem von ihm geführten Prozess gegen einen Müller -   die Kodifizierung des Rechts in Form des ALR (Allgemeines Preußisches Landrecht) förderte, mit dem alles so genau definiert werden sollte, dass es den Juristen nicht mehr möglich sein sollte, hier Auslegungen vorzunehmen. Ob dies in einer Gesellschaft von heute noch machbar ist (und ob es zu Zeiten Friedrich d.Gr. machbar war), soll nicht beurteilt werden. Aber es zeigt auf, dass es schon immer das Problem der rechtlichen Unsicherheit gab. Eine Unsicherheit, die aber auch Fragen nach der Effizienz eines Rechtsstaates aufwerfen muss.