Haftungsabwägung bei Verstoß gegen faktische Überholverbote

Der Anscheinsbeweis zu Lasten des Linksabbiegers greift allenfalls, wenn es zu einer Kollision zwischen einem ordnungsgemäß Überholenden kommt und der Überholer dem Linksabbieger unmittelbar folgt, nicht wenn der Überholer eine Kolonne überholt.

 

Eine (auch stehende) Kolonne darf grundsätzlich überholt werden. Dies setzt aber voraus, dass ein anders Fahrzeug nicht die Sicht auf den vorausliegenden Verkehrsraum verdeckt.  Ist bei einer stehenden bzw. anfahrenden Kolonne unklar, wie sich die einzelnen Fahrzeuge in der Kolonne verhalten werden, hat das von hinten anfahrende Fahrzeug einen Überholvorgangs zurückzustellen.

 

Faktische Überholverbote durch die Zeichen 295, 298 und 222 sind zwingend zu beachten. Mit ihnen wird ein Auffahren auf die Gegenfahrspur untersagt. Ein linksseitiges Vorbeifahren an Fußgängerquerungshilfen (trotz Zeichen 222) ist ein grober Verkehrsverstoß, mit dem ein schnelles Fortkommen über die Sicherheit der Straßenverkehrs gestellt wird und andere Verkehrsteilnehmer gefährdet werden. Die Missachtung mehrfacher hintereinander befindlicher faktischer Überholverbote lässt einen Verstoß des Abbiegenden gegen die 2. Rückschaupflicht zurücktreten.

 

OLG Brandenburg, Hinweisbeschluss vom 08.10.2024 - 12 U 78/24 -

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