Verstoß gegen gesetzlichen Richter oder faires Verfahren bei fehlenden „Nahblick“ auf Richterbank ?

Ist bei einer Videoverhandlung (§ 91a FGO; entspricht § 128a ZPO) ein Nahblick auf die Richterbank nicht möglich und kann deshalb weder Mimik noch eine nonverbale Konversation (Körpersprache) festgestellt werden, genügt dies nicht zur Annahme einer möglichen Voreingenommenheit der erkennenden Richter, die einen Verstoß gegen den gesetzlichen Richter iSv. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG darstellt.

 

Denkbar wäre es, dass das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Recht auf ein faires Verfahren gebietet, bei Durchführung einer Videoverhandlung (§ 91a FGO) zu beachten, dass eine hinreichende Überprüfungsmöglichkeit zur Neutralität und Unabhängigkeit der Richterbank durch die Beteiligten gewährleistet ist („Nahblick“).

 

Im konkreten Fall wurde von den Beschwerdeführern die konkrete Situation nicht substantiiert dargelegt. Zudem war nicht erkennbar, dass die etwaige Einschränkung bei der Beobachtungsfähigkeit von Verhalten oder nonverbaler Kommunikation während der Verhandlung gerügt wurde. Diese Rüge ist aus dem aus § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG abzuleitenden Grundsatz der Subsidiarität aber erforderlich.  

 

 

BVerfG, Beschluss vom 15.01.2024 - 1 BvR 1615/23 -

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