Überraschungsentscheidung bei Aufnahme neuen (entscheidenden) Gesichtspunkt erst im Urteil

Erscheint ein Beteiligter zu einem vom Finanzgericht (FG) bestimmten Termin nicht, hat das FG nach pflichtgemäßen Ermessen zu prüfen, ob es gleichwohl in der Sache entscheidet oder den Termin vertagt. Zur Vertagung ist es dann verpflichtet, wenn die Entscheidung aufgrund tatsächlicher oder rechtlicher Gesichtspunkte ergehen könnte, zu denen bisher kein rechtliches Gehör gewährt wurde. Durch die Nichtteilnahme an einem Termin verzichtet ein Beteiligter nicht auf die Verfahrensvorschriften iSv. § 295 ZPO iVm. § 155 FGO.

 

Eine Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das FG sein Urteil auf einen bis dahin im Veranlagungsverfahren, Einspruchsverfahren, den Schriftsätzen der Beteiligten und in der Verhandlung nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und so dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Auffassungen nach dem bisherigen Verlauf der Verhandlung nicht habe rechnen müssen.

 

 

BFH, Beschluss vom 10.01.2024 - IX B 9/23 -

Kommentare: 0