Rechtliches Gehör: Rechtzeitiger Hinweis auf vom Erstgericht abweichende Auffassung durch Berufungsgericht

Im Berufungsverfahren darf der Berufungsbeklagte darauf vertrauen, dass ihm das Berufungsgericht einen rechtlichen Hinweis erteilt (§ 139 ZPO), wenn es beabsichtigt einer Beweiswürdigung durch das Erstgericht nicht zu folgen. Dieser Hinweis muss so rechtzeitig erfolgen, dass der Berufungsbeklagte noch vor einem Termin zur mündlichen Verhandlung darauf reagieren kann (durch Rechtsauführungen oder einen weitergehenden Sachvortrag).

 

Ob eine vom Arbeitgeber vorgelegte und als Privatgutachten zu qualifizierende ärztliche Stellungnahme eine Indizwirkung entfaltet (hier zur Frage der Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers iSv. § 297 BGB) ist eine Frage der Beweiswürdigung.

 

Will das Berufungsgericht von der Beweiswürdigung der vorgelegten ärztlichen Stellungnahme durch das Erstgericht abweichen (und deshalb auch davon ausgehen, der Berufungsbeklagte habe seiner Darlegungslast nicht genügt), hat es den Berufungsbeklagten rechtzeitig vor dem Termin einen rechtlichen Hinweis zu erteilen und auch die Gründe mitzuteilen, weshalb es von der erstgerichtlichen Beurteilung abweichen will.

 

Wird der rechtliche Hinweis nicht rechtzeitig erteilt, ist dem Berufungsbeklagten jedenfalls auf Antrag Schriftsatznachlass zur Stellungnahme (und evtl. ergänzenden Vortrag) dazu zu gewähren (BGH, Beschluss vom 11.04.2018 - VII ZR 177/17 -).

 

 

BAG, Beschluss vom 28.08.2019 - 5 AZN 381/19 -

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